Internationale Förderung: "Die Perspektiven sind vielversprechend"
#InternationalesIn Kürze enden die letzten Projekte in der Förderinitiative "Mittelasien/Kaukasus". Andere Förderer, auch das BMBF, werden in der Region anknüpfen. Und die Stiftung führt ihr internationales Engagement mit neuen Themen fort. Ein Gespräch über die Komplementarität von privater und öffentlicher Förderung im Ausland.
Sie zählt zu den rekordverdächtigen Longsellern im Förderangebot der Stiftung: die Initiative "Zwischen Europa und Orient: Mittelasien/Kaukasus im Fokus der Wissenschaft" (MAK). Von 1999 bis Ende 2021 konnten hier Projekte beantragt werden. Die letzten bewilligten laufen noch bis 2025/2026.
Gewissermaßen zum 25. Jubiläum trafen sich im Juni 2024 Geförderte aus der Region mit ihren deutschen Projektpartnern, mit Vertreter:innen anderer Förderorganisationen sowie der Wissenschaftspolitik in Hannover zu einem Abschlusssymposium. Dabei war allen wichtig, nicht bloß einen nostalgischen Blick zurück auf das vielfältig Erreichte zu werfen. Die Frage, die alle am meisten interessierte: Wie geht es weiter mit der Wissenschaftsförderung in Zentralasien sowie der Kaukasusregion?
Antworten darauf liefert das Gespräch mit Matthias Nöllenburg, dem für MAK zuständigen Fachreferenten in der Stiftung, mit Florian Frank, Referatsleiter im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit Zuständigkeit u. a. für die Länder des Südkaukasus und Zentralasiens sowie mit Adelheid Wessler, Leiterin des Profilbereichs "Gesellschaftliche Transformationen" in der VolkswagenStiftung.
Herr Nöllenburg, dass Sie nur wenige Tage nach dem MAK-Abschlusssymposium ihren Ruhestand angetreten haben, muss man nicht überinterpretieren, oder? Sie haben die Initiative rund ein Vierteljahrhundert lang in der Stiftung geführt. Gehen nun in der Region die Förderlichter aus?
Nöllenburg: Das Symposium, die Begegnung mit vielen Geförderten, das gemeinsame Schwelgen in Erinnerungen, die Bilanzierung des Erreichten – all das war natürlich ein herrliches Finale für mich. Aber mit meinem Abschied aus dem aktiven Dienst endet natürlich nicht die internationale Förderung in der Stiftung! Über die Anknüpfung werden wir noch sprechen. Was mich auf jeden Fall gefreut hat: dass andere Akteure, allen voran das BMBF, dort weitermachen wollen, wo die Stiftung nun nach so vielen Jahren mit ihrer Förderung aufhört.
Frank: BMBF und VolkswagenStiftung sind schon seit Jahren partnerschaftlich in der Region unterwegs. Nicht zuletzt bei Delegationsreisen haben wir erfahren, welche Aufbauarbeit die Stiftung in den Ländern geleistet hat. Das wurde auch im Symposium deutlich. Jetzt geht es darum, Erreichtes noch ein Stück weit besser zu machen. Die Perspektiven sind vielversprechend.
Was plant das BMBF konkret?
Frank: In meinem ministeriellen Zuständigkeitsbereich geht es vor allem darum, im Ausland Türen zu öffnen, Kontakte zu schaffen, Leute sollen sich kennenlernen und auf gemeinsame Projektideen kommen. Für die Region Zentralasien unterstützt uns CASIB beim Networking ("Central Asia Sustainable Innovation Bureau") in Almaty in Kasachstan.
Nöllenburg: Der Leiter von CASIB ist übrigens ein Geförderter aus dem MAK-Programm…
Frank: Unsere Förderbekanntmachungen entstehen in Reflektion der Bedarfe der Forschung und der politischen Prioritäten gleichermaßen. Unsere aktuellen Förderaufrufe sind zumeist in die Rahmenbekanntmachung "Östliche Partnerschaft und Zentralasien" eingebettet. Diese weitgehend offene Ausschreibung ist im Oktober 2023 gestartet und wird über einen Zeitraum von zehn Jahren bestehende Forschungskooperationen zwischen Deutschland und der Region festigen und vor allem neue auf den Weg bringen. Der Fokus liegt auf der Bewältigung der großen gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen.
Nöllenburg: Das MAK-Programm ist ebenfalls themenoffen gestartet. Von Anfang an standen gleichermaßen die Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften im Fokus. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, zehn Jahre zuvor, lag die Forschung in der Region darnieder, vor allem in den Sozialwissenschaften, anders kann man das nicht sagen. Aber auch das Forschungsinteresse auf deutscher Seite war mau. 2010 dann empfahl uns ein internationales Evaluationspanel, die Hälfte des Förderbudgets für thematische Ausschreibungen zu verwenden. Das haben wir getan und uns dabei auf Themen aus den Umwelt- und Sozialwissenschaften konzentriert. Und dann kamen noch eine Reihe strukturierter Doktorandenprogramme hinzu, um zur Reform der akademischen Ausbildung in der Region beizutragen. Dran haben sich auch nationale Förderer beteiligt.
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Einblicke in ein MAK-Projekt zu den zunehmenden Gefahren durch extreme Wetterbedingungen für Hirten in Kirgistan und der Mongolei.
Wessler: Ich möchte noch ergänzen, dass die Evaluation uns auch die Postdoc-Förderung empfohlen hat. Eine gute Idee. So konnten wir Karrieren und Strukturen aufbauen und in die klügsten Köpfe investieren.
Frank: Bei der Forschungsförderung im Ausland leiten uns als öffentlichen Geldgeber drei Prinzipien: Exzellenz, Innovation und Verantwortung. Diesen Dreiklang kann man in zwei Richtungen denken. Die eine beschreibt, was die Forschung in Deutschland interessiert. Die andere, was sich die Forschung und die Menschen in der Region wünschen und was ihnen nützt. Stichwort Klimawandel: Wer nach Kasachstan reist, kann dort heute schon Auswirkungen des Klimawandels erforschen, die uns in Europa immer stärker heimsuchen: regelmäßige gewaltige Überschwemmungen und Dürren. Mit unserer Forschungsförderung tragen wir dazu bei, den Menschen in der Region zu helfen, mit den Herausforderungen besser fertig zu werden. Gleichzeitig gewinnen wir wissenschaftlich fundiertes Knowhow, das uns hilft, Deutschland krisenfester zu machen.
Anders als die VolkswagenStiftung, die privat und unabhängig ist, muss das BMBF rechtfertigen, warum es Steuermittel für die Auslandsförderung ausgibt. Und die Programme müssen in den politischen Rahmen passen, den die Bundesregierung vorgibt.
Frank: Richtig. Eine Grundlage hierfür ist die Strategische Regionalpartnerschaft zwischen Deutschland und den fünf Ländern Zentralasiens. Die haben der Bundeskanzler und die Regierungschefs von Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan im September 2023 bei einem Treffen in Berlin beschlossen.
Welche Ziele verfolgt Deutschland mit dieser Partnerschaft?
Frank: Die zentralasiatischen Länder sehen sich in einer schwierigen geopolitischen Lage zwischen Russland und China. Wir möchten dazu beitragen, die Region näher an den europäischen Forschungsraum heranzuführen. Beim Treffen in Berlin wurde nochmal deutlich, was wir vorher schon beobachtet haben: Die interregionale Zusammenarbeit ist deutlich ausbaufähig. Die Länder in der Region interessieren sich zwar sehr für die Zusammenarbeit mit Deutschland, gucken aber wenig danach, was sie selbst miteinander verbindet.
Nöllenburg: Die mangelnde Motivation Kooperationen miteinander einzugehen, fiel uns auch bei MAK auf. Wir haben früh gegengesteuert und vorgegeben, dass mindestens zwei Länder aus der Region an einem gemeinsamen Forschungsprojekt beteiligt sind – zuzüglich zur Partnerinstitution in Deutschland, natürlich. Das hat dann gut funktioniert und auch Einrichtungen zusammengebracht, die bis dahin nichts miteinander zu tun hatten.
Welchen Fahrplan verfolgen Sie im BMBF konkret, um deutsch-zentralasiatische Projekte aufzugleisen?
Frank: Zunächst mal hat uns das gewaltige Echo auf die Rahmenbekanntmachung "Östliche Partnerschaft und Zentralasien" überrascht. Für die Institutspartnerschaften sind in Zentralasien Kasachstan und Usbekistan die bevorzugten Partner für deutsche Forschungsinstitute. Für die Förderung nachhaltiger Lösungen macht das Themenfeld Umwelt und Klima 52 Prozent der Skizzen aus, weiter geht es um Energieeffizienz, Biodiversität, Klimawandel. Ganz vorn mit 23 Prozent der Einreichungen ist Kasachstan, gefolgt von Kirgisistan und Georgien mit je 15 Prozent sowie Usbekistan mit 14 Prozent. Zu jedem Projekt gehören natürlich Partner in Deutschland.
Nöllenburg: Ich erkenne bei den Themenschwerpunkten einige wieder, die dem BMBF unlängst in einem Positionspapier zur Förderung empfohlen wurden ("Zentralasien – den regionalen und globalen Herausforderungen begegnen"). Erstellt haben es Forschungs-, Mittler- und Förderorganisationen im Rahmen eines strategischen Workshops im Frühjahr 2023. Auch die VolkswagenStiftung hat ihre Expertise eingebracht.
Frank: Das Papier ist ein wichtiger Referenzpunkt, sowohl im politischen Dialog mit unseren Partnern vor Ort als auch im Austausch mit der deutschen Forschung. Ersteren pflegen wir etwa im Kontext eines Roundtable, den wir aktuell in Zusammenarbeit mit den fünf Staaten Zentralasiens vorbereiten, letzteren etwa im Kontext einer für das erste Quartal 2025 geplanten Fachkonferenz. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier auch die weitere Forschungsförderung konkretisieren können. Ich jedenfalls freue mich schon darauf, wenn's weitergeht.
Und in der VolkswagenStiftung? Wie geht es hier weiter mit der Förderung im Ausland?
Wessler: Wir haben hier noch nicht erwähnt, dass die Stiftung nicht nur jahrzehntelang Regionenförderung in Mittelasien/Kaukasus betrieben hat, sondern beinahe ebenso lange in Ländern der Subsahara-Region. Auch diese Förderung hat die Stiftung beendet. Im Rahmen unserer Förderstrategie, die wir seit 2020 umsetzen, haben wir die Ziele unserer internationalen Förderung neu ausgerichtet. Angesichts der globalen Herausforderungen wie des schon erwähnte Klimawandels sind wir davon überzeugt, dass die heutigen Probleme nur aus einer internationalen Perspektive und in grenzüberschreitender Zusammenarbeit angegangen werden können.
Deshalb der Abschied von der Regionenförderung?
Wessler: Ja, als Folge der massiven Veränderungen im globalen Gefüge, mit der sich Wissenschaft heute auseinandersetzen muss. Ein gutes Beispiel für unser weiterentwickeltes Förderkonzept sind die "Global Issues". Wie der Name schon sagt, geht es in diesen Ausschreibungen um weltumspannende Herausforderungen. Etwa neue Krankheiten, die sich durch moderne Mobilität rasend schnell verbreiten. Oder die Frage, wie man Pandemien künftig vorbeugen und begegnen kann. "Global Issues" haben wir in den 2010er Jahren gestartet, parallel zum Ausstieg aus der Regionenförderung. Bedingung für einen erfolgreichen Antrag sind Partner aus verschiedenen Ländern und gern auch von verschiedenen Kontinenten. Wir wollen Transdisziplinarität ermöglichen und wir wollen mehr Forschende aus dem globalen Süden an den Projekten beteiligen.
Das hört sich komplex an.
Wessler: Das ist es teilweise auch. Deshalb kooperieren wir bei allen Ausschreibungen in den Global Issues mit anderen europäischen Stiftungen, die nicht nur Budget einbringen, sondern auch Expertisen. Globale Forschung braucht global denkende Förderer.
Aber der Rahmen, der da gesetzt wird, ist ein europäisch dominierter…
Wessler: Ja, die finanziellen Mittel für die Forschungsförderung liegen zum größten Teil im globalen Norden. Wir bemühen uns aber ganz klar um gleichberechtigte Forschung in den Projekten. Wie erfolgreich wir damit letztlich sind, werden wir im November 2024 erfahren. Dann treffen sich Geförderte und Förderer in Hannover zur Global Issues Convention. Ähnlich wie beim MAK-Symposium wollen wir da nicht nur zurückblicken, sondern nach vorn. Welche Förderbedarfe gibt es, wo private Stiftungen ihre Unabhängigkeit ausspielen können, um Dinge anzustoßen, die dann im Idealfall von anderen Akteuren skaliert werden? Bei MAK und dem BMBF ist diese Verknüpfung gelungen, finde ich. Und natürlich wird man beim Treffen im November diskutieren, wie sich das Netzwerk vielleicht über die Grenzen Europas hinaus ausdehnen lässt. Alle sind sehr motiviert. Ich bin gespannt!
Nöllenburg: Wer sich das aktuelle Förderangebot der Stiftung genauer anschaut, wird entdecken, dass internationale Kooperation bei einer Vielzahl der Initiativen und Ausschreibungen gefordert, auf jeden Fall aber sehr empfohlen wird. Wenn Sie mich eingangs fragten, ob mit meinem Weggang die Lichter in der internationalen Förderung der Stiftung ausgehen würden, so war das nicht nur eine natürlich ironisch gemeinte Überzeichnung meiner Bedeutung. Die Wahrheit ist auch eine gegenteilige: Nach meinem Eindruck zündet die VolkswagenStiftung im internationalen Förderhandeln dauernd neue Lichter an. Die Motivation dafür ist sehr gut in einem Positionspapier der Stiftung zu ihrem internationalen Förderhandeln (PDF, 361.4 KB) beschrieben. Als einer, der Jahrzehnte in diesem Kontext unterwegs war und nun aufhört, freut mich das.