Europa im Fokus: Potenziale und Herausforderungen
#InternationalesDer europäische Gedanke bröckelt spürbar. Von uns geförderte Forschende trafen sich zum Statussymposium "Potentials and Challenges for Europe" und tauschten sich über die Ergebnisse ihrer Europaforschung aus. Ein Fazit: Die gemeinsame europäische Forschung über Europa bröckelt glücklicherweise nicht!
Europa steht vor großen Herausforderungen. Themen wie Migration, demografischer Wandel, wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen Nord- und Südeuropa sowie Differenzen in der Klimapolitik belasten die Einheit. Mit Herausforderungen wie diesen – aber auch mit europäischen Chancen – beschäftigten sich die Wissenschaftler:innen, die Fördermittel aus unserem Programm „Herausforderungen und Potenziale für Europa“ erhalten haben.
Europaforschende kommen in Hannover zusammen
Das Statussymposium "Potentials and Challenges for Europe" fand vom 4. bis 6. September 2024 im Schloss Herrenhausen in Hannover statt und brachte rund 100 Europaforschende aus 22 Projekten zusammen.
In Projektpräsentationen, Keynotes und Workshops, die von den Wissenschaftler:innen geleitet wurden, konnten methodische Ansätze reflektiert und offene Fragen bearbeitet werden (Programm). Ziel der Veranstaltung war es, den wissenschaftlichen Austausch zu fördern, Netzwerke zwischen den Projekten zu stärken und zentrale Themen wie Transdisziplinarität, Internationalisierung und Diversität in der Wissenschaft zu diskutieren. Das Symposium wurde gemeinsam von der VolkswagenStiftung und dem Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt organisiert.
Europas große Aufgaben im lebendigen Dialog
Das Statussymposium bot Einblicke in sehr unterschiedliche Facetten Europas, da die geförderten Projektteams aus Forschenden aus Deutschland und mindestens zwei weiteren europäischen Ländern bestehen mussten. Die Vielfalt der Perspektiven unterstrich die Relevanz der wissenschaftlichen Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg. Gerade die europäischen Partner:innen und Nachwuchsforschenden der Europaprojekte brachten wichtige Sichtweisen und Forschungsergebnisse in die Debatten ein.
Ein Team aus Großbritannien, Italien, Dänemark, Kroatien und Deutschland ging beispielsweise in dem Projekt "Algorithmic Fairness for Asylum-Seekers and Refugees (AFAR)" der Frage nach, wie technische Lösungen bei der Aufnahme und Verteilung von Asylsuchenden und Geflüchteten kritisch hinterfragt und optimiert werden können.
Forschende aus Tschechien, Ungarn, der Ukraine, Rumänien und Deutschland untersuchten in ihrem Projekt "Researching the transnational organization of senior care, labor and mobility in Central and Eastern Europe (CareOrg)", inwiefern das Thema Pflege zu großen Herausforderungen innerhalb Europas durch den care drain – der Abwanderung junger Menschen zur Pflegearbeit im Nachbarland – führt.
Das Thema Wohneigentum und Generationengerechtigkeit bzw. demografischer Wandel stand im Zentrum der Projekte "Transformations in Housing and Intergenerational Contracts in Europe (THICE)" und "Demographic Change and the Intergenerational Persistence in Homeownership in Europe". Die Forschungsvorhaben wurden von Wissenschaftler:innen aus Ungarn, Spanien, Großbritannien, Niederland, Irland und Deutschland durchgeführt.
Die lebendige und offene Atmosphäre führte zu einem regen Austausch und einer intensiven Vernetzung der Forschenden. Zahlreiche Diskussionen und neue Ideen für zukünftige Kooperationen zeigten die Gemeinsamkeiten der Teilnehmenden und die Synergiepotenziale ihrer Projekte, die aufgrund der thematischen Nähe der Ausschreibungen viele Berührungspunkte aufwiesen.
Perspektiven auf das "andere Europa" und die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft
Insbesondere die Keynote-Vorträge der rumänischen Soziologin Prof. Manuela Boatcă (Universität Freiburg) und der polnischen Soziologin Prof. Elżbieta Korolczuk (Universität Warschau & Universität Stockholm) lieferten wertvolle Denkanstöße.
Boatcăs Vortrag über die "anderen Europas" – darunter Überseegebiete und Regionen, die im Schatten europäischer Erfolgserzählungen stehen – eröffnete neue Perspektiven auf europäische Identitäten und den Blick auf vernachlässigte europäische (Kolonial-)Geschichten.
Der Vortrag Korolczuks über das schwindende Vertrauen in die Wissenschaft in Europa regte eine lebhafte Diskussion über wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und die Herausforderungen für die Forschung an. Nicht erst seit der Corona-Pandemie sehen sich viele Wissenschaftler:innen in allen Ländern Europas mit einem wachsenden Misstrauen an ihrer Arbeit in verschiedenen Bevölkerungsschichten konfrontiert. Das Erstarken von wissenschaftsfeindlichen Organisationen und pseudowissenschaftlichen Einrichtungen verlangt dabei, dass sich Forschende auch außerhalb der eigenen Forschungsschwerpunkte mit Fragen der Wissenschaftsfeindlichkeit und -kommunikation beschäftigen.
Transdisziplinarität: Probleme und Chancen
Ein wichtiges Zukunftsthema des Symposiums war die transdisziplinäre Forschung – also die Zusammenarbeit von Forschenden mit Personen außerhalb des Wissenschaftssystems. Im Abschlusspanel reflektierten zwei geförderte Wissenschaftler:innen, eine ehemalige Gutachterin sowie eine Vertreterin der Stiftung die Vor- und Nachteile des Forschungsansatzes.
Deutlich wurde, dass Transdisziplinarität an den Universitäten bisher wenig Anerkennung findet, was die Planung und Durchführung von solchen Forschungsvorhaben erschwert. Auch zeigte sich, dass Transdisziplinarität zwar ein wichtiger Trend in der Wissenschaft ist, der Ansatz sich aber nicht für jedes Projekt geeignet ist.
Konsens war, dass viel Fingerspitzengefühl und Ausdauer gefragt sind um die Zusammenarbeit von Forschenden und nicht-wissenschaftlichen Akteur:innen langfristig erfolgreich zu gestalten. Die Diskussion im Abschlusspanel hat uns als Stiftung wichtige Impulse für die Entwicklung neuer Förderprogramme gegeben.
Unsere Förderangebote
Auch zukünftig werden wir ermöglichen, dass Forschende der Kernfrage nachgehen: "In welcher (europäischen) Gesellschaft wollen wir leben?". Dafür können sich Wissenschaftler:innen im Jahr 2025 für eine Förderung für u. a. folgende Förderinitiativen bewerben: