Interview

Geld für Nachhaltigkeit im Labor

Zwei Männer im Kittel stehen vor einem Abzug im Chemielabor und betrachten eine Probe

Von energieintensiven Geräten über Belüftungsanlagen bis hin zu Verbrauchsmaterialien: Naturwissenschaftliche Forschungslabore verbrauchen viel Energie und andere Ressourcen. Warum es sich lohnt, Labore nachhaltiger zu organisieren, erklärt Chemiker Prof. Dr. Nico Bruns von der TU Darmstadt.

Herr Bruns, warum ist es sinnvoll, im Hinblick auf Nachhaltigkeit Labore ins Visier zu nehmen? 

Prof. Nico Bruns: Laborgebäude an den Universitäten verbrauchen ein Vielfaches der Energie, die klassische Gebäude mit Hörsälen oder normalen Räumen benötigen. Ich kann das konkret an der TU Darmstadt benennen: die drei Chemiegebäude der TU sind alle in den Top ten der Energieverbraucher an der Hochschule, wenn man die einzelnen Gebäude betrachtet. Das wird nur getoppt vom Supercomputer. Der hohe Energieverbrauch in den Gebäuden entsteht durch die Labor-Geräte: von Zentrifugen über Kühlschränke bis Tiefkühlschränke, aber auch die Haustechnik – vor allem die Belüftung – ist hier ein Riesenthema und deswegen auch ein riesiger Hebel, um nachhaltiger zu sein. 

Ein Beispiel: Ein Ultratiefkühlschrank mit -80° verbraucht allein so viel Energie wie ein Vier-Personen-Haushalt. Wenn man diesen Kühlschrank statt auf -80° nur auf -70° stellt, was für die meisten Proben ausreichend ist, verbraucht das Gerät direkt 25 bis 30 Prozent weniger Strom. Diese Geräte werden gebraucht, aber man kann sich fragen, welche Leistung von ihnen wirklich gebraucht wird?

Es gibt verschiedene Anbieter, über die man ein Labor als nachhaltig zertifizieren lassen kann. Was bedeutet eine solche Zertifizierung für die Labore? 

Prof. Nico Bruns: Diese nachhaltigen Laborprogramme funktionieren alle nach einem ähnlichen Prinzip: Man bekommt einen Online-Fragenkatalog, den man beantworten muss. Letztendlich dient dieser dazu, sich damit zu beschäftigen, was man wie im Labor organsiert hat. Wir haben die großen Programme ausführlich analysiert und in unserer Publikation gegenübergestellt.

Es gibt verschiedene Fragekategorien, beispielsweise zu Energie und Verbrauch, dem Ressourcenmanagement – also allem was rein und raus geht aus dem Labor – oder dem Forschungsdatenmanagement. Ein Experiment, das man zwei Mal durchführen muss, weil man es nicht richtig dokumentiert hat, ist ein unglaublicher Ressourcenverbrauch. Zu diesen Fragen gibt es zusätzliche Informationen, die bei der Beantwortung helfen. Dann muss man gucken, ob man die einzelnen Aspekte schon im Labor implementiert hat oder das noch tun muss. So erhält man eine Basisevaluation sowie eine Rückmeldung, was schon gut läuft und wo noch Verbesserungspotenzial ist. Wenn diese Vorschläge dann in der nächsten Zeit umgesetzt werden, erhält man die Zertifizierung. Wie dies genau erfolgt, hängt vom Programm ab. 

Auch die zu erreichenden Zertifizierungslevel unterscheiden sich zwischen den Anbietern, aber in der Regel sind es Bronze, Silber und Gold. Man erreicht zunächst vielleicht erstmal Bronze und kann sich dann für das nächste Jahr vornehmen, den Silberstandard umzusetzen. Das heißt die Maßnahmen werden umfangreicher und logischerweise schwieriger. 

Portrait eines Mannes im weißen Hemd

Prof. Dr. Nico Bruns ist Professor für „Nachhaltige Funktionale Polymere“ an der TU Darmstadt. Er leitet zudem die „Initiative Nachhaltige Labore“ des Fachbereichs Chemie. 

Nachhaltigkeitsmittel

Seit Anfang dieses Jahres können Wissenschaftler:innen bei Förderanträgen zusätzliche Nachhaltigkeitsmittel in Höhe von 3.000 Euro beantragen, um ihre Labore über entsprechende Programme als nachhaltig zertifizieren zu lassen. Mehr Informationen dazu finden Sie unter den einzelnen Ausschreibungen im Antragsportal. 

Werden die eigenen Angaben kontrolliert? 

Prof. Nico Bruns: Wichtig ist: Diese Zertifikate haben keine ISO-Norm, die hoch standardisiert sind. Die Idee ist, dass das niedrigschwellige Angebote sind. 

Je nach Anbieter variiert die Art der „Kontrolle“. Bei einem wird das beispielsweise durch andere Arbeitsgruppen innerhalb der Universität übernommen, die ebenfalls an diesem Zertifizierungsprogramm teilnehmen. Das heißt hier wird institutionsintern „kontrolliert“. Hier besteht schon die Gefahr des Greenwashings, wenn sich innerhalb der Institution alle einig sind, dass man gut dastehen will und dafür gegebenenfalls falsche Infos angegeben werden. Ein anderer Anbieter bietet aufgrund solcher Kritik neuerdings eine externe Begutachtung einzelner Nachweise zu Optimierungen an. 

Es geht generell nicht darum, den Prozess in Bürokratie und sehr formalisieren Verfahren zu ersticken. Wenn das erste Level mit einfachen Mitteln erreicht wurde und dann die Laborangestellten sehen, dass mit begrenztem Aufwand das nächste Level möglich ist, soll vielmehr diese motivierende Wirkung genutzt werden. Das Ziel der Programme ist kein gerichtsfestes Zertifikat, sondern die Gruppen anzuleiten, möglichst niedrigschwellig in die Maßnahmen einzusteigen.

Nachhaltigkeit und Arbeitssicherheit gehen Hand in Hand im Labor, genauso wie Nachhaltigkeit und Effizienz.

Welche Vorteile hat die Zertifizierung für die Labore? Gibt es auch Nachteile?

Prof. Nico Bruns: Ganz klar, es ist ein Zeitaufwand auf allen Ebenen der Arbeitsgruppe, von dem Professor oder der Professorin bzw. Arbeitsgruppenleiter, der mit Nachhaltigkeit beauftragten Person im Team bis hin zu jedem und jeder Einzelnen im Labor. Aber der Arbeitsaufwand hält sich in Grenzen. Der Fragebogen des von uns genutzten Zertifizierungsprogramms ist beispielsweise in einer halben Stunde beantwortet. Danach muss man noch Zeit einplanen für das gegenseitige Peer Review mit einer anderen Arbeitsgruppe innerhalb der Hochschule. Aber die eigentliche Arbeit ist im Hintergrund, nämlich, dass man seine Prozesse im Labor ändert. 

Das ist aber auch der Vorteil, denn es geht darum, ein Labor vernünftig aufzustellen. Viele von den Punkten, die da vor allem in den ersten Grundlevels abgefragt werden, macht ein gut organisiertes Labor bereits. Anderen Laboren kann es helfen, Arbeitsabläufe und Organisation zu optimieren und somit auch seine Effizienz zu steigern. Nachhaltigkeit und Arbeitssicherheit gehen Hand in Hand im Labor, genauso wie Nachhaltigkeit und Effizienz. 

Ein Beispiel ist das Chemikalienmanagement: Das Unnachhaltigste, was man machen kann, ist fünf Mal dieselbe Chemikalie im Regal stehen zu haben. Das kostet Ressourcen für die Produktion, Geld beim Kauf und am Ende muss es immer als Sondermüll entsorgt werden. Gleichzeitig müssen wir sowieso als Arbeitsgruppe eine Chemikalien-Liste über unsere Bestände führen. 

Zusätzlich kann die Auseinandersetzung mit dem Thema einen monetären Anreiz bieten, zumindest auf Ebene der Hochschule. Wenn man die großen Energiehebel ansetzt, kommen da schnell Ersparnisse von mehreren Tausend bis Zehntausend Euro raus und das sind Kosten, die die Uni weniger tragen muss. Konkret sind wir beispielsweise dran, mit unserem Energie- und Gebäudemanagement in der Chemie und anderen Laborgebäuden die Belüftungsanlage zu optimieren. Für ein Gebäude wurde das schon früh gemacht, weil es einfach umzusetzen war, und nun haben wir dort Energieeinsparungen von Dreißig- bis Vierzigtausend Euro pro Jahr und das ist nur ein Gebäude! In einem anderen Gebäude konnten wir die Lüftung optimieren, was gleichzeitig zu einer besseren Funktionalität der Anlage und somit erhöhter Nutzerzufriedenheit und -sicherheit geführt hat. Wieder ein Beispiel, dass Nachhaltigkeit nicht nur mehr Aufwand bedeutet, sondern direkten Mehrwert für die Nutzer mit sich bringt.

Man muss aber auch sagen, dass viele Arbeitsgruppen intrinsisch motiviert sind und einfach in dem Thema etwas verändern wollen. 

Bietet die Zertifizierung den Laboren weitere Vorteile, beispielsweise bei Projektausschreibungen? 

Prof. Nico Bruns: Das Ganze kommt langsam ins Rollen, denn auch bei den Geldgebern wird das Thema wichtiger. Da gibt es zum einen diejenigen wie die VolkswagenStiftung, die einen fördernden Ansatz wählen und Geld für eine Zertifizierung anbieten. Andere wie die DFG oder die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen der EU haben einen fordernden Ansatz: hier muss man bei einem Antrag wie bei anderen Querschnittsaufgaben seine Handhabung mit diesem Thema eintragen. 

Man muss aber auch sagen, dass viele Arbeitsgruppen intrinsisch motiviert sind und einfach in dem Thema etwas verändern wollen. Die Studierenden und Fachschaften sind da schon viel weiter und fordern das schon lange. Deshalb gehört es auch in die Lehrlabore.

Wie sind Sie persönlich dazu gekommen, sich mit dem Thema so intensiv zu beschäftigen? 

Prof. Nico Bruns: Ich war, bevor ich an die TU Darmstadt berufen wurde, an der University of Strathclyde in Glasgow und dort wurde ein Programm zur Zertifizierung nachhaltiger Labore eingeführt. Da habe ich gesehen, was gemacht werden kann. Als ich als Professor für Nachhaltige Funktionale Polymere an die TU Darmstadt berufen wurde, war mir klar, dass ich in dem Bereich, für den ich zuständig bin und wo ich was verändern kann, Engagement zeigen will – und das über die eigene Forschung hinaus. Zu sehen, dass das ein komplett unbearbeitetes Feld an unserer Uni ist und da etwas in die Wege zu leiten, sich dann darüber hinaus mit anderen zu vernetzen, das war essenziell. 

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