Zwölf Millionen Euro für nachhaltige Forschungsprojekte

Im Förderprogramm "Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung" wurden acht Forschungsvorhaben mit einem Gesamtvolumen von 12,1 Millionen Euro bewilligt.

Bis zum ersten Stichtag des neuen Förderprogramms "Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung" im Niedersächsischen Vorab waren 66 Projektanträge aus ganz Niedersachsen eingegangen. Sie adressierten alle relevanten Themenfelder nachhaltiger Entwicklung wie Ökologie, Wirtschaft, Bildung und Soziales. Nachdem eine Gutachterkommission 15 besonders vielversprechende Projekte aus allen Anträgen ausgewählt hatte, wurden diese Antragsteller zu einem öffentlichen Auswahlkolloquium am 13. und 14. Oktober 2014 ins Tagungszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover eingeladen. Dort stellten sie ihre Projekte sowohl dem Fachgutachtergremium, als auch insgesamt etwa 200 wissenschaftsinteressierten Zuhörern im Publikum vor – und beide Gruppen bekamen die Gelegenheit, ihre Fragen an die präsentierenden Wissenschaftler zu übermitteln. In der Geschichte der VolkswagenStiftung stellt dieses Verfahren ein absolutes Novum dar. Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur will die Stiftung auf diesem Weg mehr Transparenz bei der Vergabe von Fördergeldern schaffen und die Öffentlichkeit an der Diskussion der Forschungsprojekte beteiligen.

Die Wissenschaftler standen Rede und Antwort über ihre Projekte – vor einem Gutachtergremium und der Öffentlichkeit. (Foto: David Carreno Hansen für VolkswagenStiftung)

Welche Projekte letztlich zur Förderung vorgeschlagen wurden, darüber entschied allerdings ausschließlich das Gutachtergremium, das nach der Veranstaltung in einer nicht-öffentlichen Sitzung tagte. Das Ergebnis des Begutachtungsprozesses wurde heute in einer Pressekonferenz im niedersächsischen Landtag vorgestellt. Insgesamt acht Projektgruppen waren mit ihren Anträgen erfolgreich. Die Förderumfänge der einzelnen Anträge liegen zwischen rund 500.000 Euro und 2,5 Millionen Euro; die Laufzeiten betragen drei bis vier Jahre. "Das Ergebnis der ersten Bewilligungsrunde zeigt, dass das Thema "Nachhaltige Wissenschaft" bereits an vielen Hochschulstandorten in Niedersachsen präsent ist", resümiert Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung. "Wir wollen Nachhaltigkeit als eine der Leitideen der niedersächsischen Forschung stärken", erklärt die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Dr. Gabriele Heinen-Kljaji?. "Weil die Resonanz auf unser Förderprogramm außerordentlich hoch ist und die Projekte gesellschaftlich sehr bedeutend sind, stellen wir weitere 15 Millionen Euro zu den nächsten Ausschreibungsfristen in Aussicht."

Ein Expertengremium wählte aus den 15 präsentierten Projekten acht aus, die es zur Bewilligung vorschlug. (Foto: David Carreno Hansen für VolkswagenStiftung)

Die ausgewählten Projekte im Detail:

Universität Oldenburg: Reflexive Responsibilisierung. Verantwortung für nachhaltige Entwicklung

Viele Nachhaltigkeitsprogramme vereint ein zentrales Problem der Umsetzung: Erwartungen an Verhaltensänderungen werden enttäuscht, und der Erfolg initiierter Maßnahmen bleibt überschaubar. In dem Projekt wird daher untersucht, ob und wie sich Programme für eine nachhaltige Gesellschaft in der Praxis konkret auswirken. Die zentrale Frage der Forscher lautet: Wie wird versucht, Menschen zu verantwortlichen Subjekten für nachhaltiges Verhalten zu machen, und wie machen sie sich selbst dazu – oder eben auch nicht? Universität Hannover, Oldenburger Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik-, Werkzeuge und -Systeme, Universität Göttingen, Technische Universität Braunschweig: NEDS – Nachhaltige Energieversorgung Niedersachsen
Das Forschungsvorhaben hat zum Ziel, unter Nachhaltigkeitskriterien technologische Umsetzungsoptionen von unserer heutigen zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung Niedersachsens zu entwickeln. Das Vorhaben fokussiert auf die Versorgung mit elektrischer Energie und berücksichtigt die Teilbereiche Technik, Ökonomie, Ökologie und Soziales. In die Analyse, Bewertung und Kommunikation werden Interessenvertreter aus Politik, Wirtschaft, Verbänden sowie Bürger einbezogen. Ziel ist es, auf partizipativem Wege Nachhaltigkeitskriterien sowie Umsetzungspfade zu identifizieren. Leuphana Universität Lüneburg: Stadt als Möglichkeitsraum
In dem Projekt liegt der Fokus auf städtischen sozialen Bewegungen. Es fokussiert insbesondere auf solche Akteure in der Stadt, die sich mit ihren Maßnahmen, Prozessen und Aktionen durch künstlerische, kreative und alternative Ansätze hinsichtlich des Zusammenlebens und im Verhältnis von Mensch und Natur auszeichnen. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses – am Beispiel der Stadt Hannover – steht die Frage, ob und wie diese Akteure zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen können und was ihre Qualität ausmacht. Universität Osnabrück, Universität Oldenburg, Leuphana Universität Lüneburg: Nachhaltiger Konsum von Informations- und Kommunikationstechnologie in der digitalen Gesellschaft – Dialog und Transformation durch offene Innovation
Um den Konsum von Informations- und Kommunikationstechnologie nachhaltiger gestalten zu können, verfolgt das vorliegende Forschungsvorhaben den Ansatz einer Öffnung von Innovationsprozessen. Konkret wollen die Forscher unternehmerische und politische Maßnahmen entwickeln, die eine Einbindung externer Akteure in die Innovationsprozesse ermöglichen, z.B. staatliche Anreizsysteme, Initiativen zu Gesetzesvorlagen, Beiräte, "Reparatur-Cafés" oder partizipative Produktentwicklung. Leuphana Universität Lüneburg, Arizona State University: Complexity or Control? Paradigms for Sustainable Development (CCP)
Das Projekt untersucht die Entstehung der gegenwärtigen Vorstellungen von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung. Das Ziel besteht in der Weiterentwicklung epistemologischer und methodologischer Grundlagen für eine transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung. Die zentrale Ausgangsthese des Projekts lautet: Vorstellungen über nachhaltige Entwicklung unterliegen immer vielfach einem Steuerungsideal und sind Ausdruck jener Kontrollfaszination, die den Prozess der Kybernetisierung des Wissens und Denkens bis heute auszeichnet. Universität Göttingen, Universität Vechta, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung (Hannover), Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik (Quakenbrück): Sustainability Transitions in der Lebensmittelproduktion: Alternative Proteinquellen in soziotechnischer Perspektive
Die Verfütterung pflanzlicher Biomasse an Nutztiere und der Konsum von Lebensmitteln tierischen Ursprungs gehen mit erheblichen stofflichen Verlusten von Proteinressourcen sowie großen ökologischen Auswirkungen einher. Dieser Mangel an Proteinen wird in Europa vorwiegend durch Soja-Importe Soja geschlossen. Ziel der Forscher ist es, abzuschätzen, welche Potenziale für eine nachhaltigere Landwirtschaft und Ernährung durch die Nutzung alternativer Proteinquellen (auf Algenbasis als Fleischanaloga sowie auf Algen- oder Insektenbasis für die Tierernährung) erschlossen werden können. Leuphana Universität Lüneburg: Leverage Points for Sustainability Transformation: Institutions, People and Knowledge
Eine Herausforderung für die Nachhaltigkeitswissenschaft besteht darin zu verstehen, wie Dynamiken von gekoppelten sozial-ökologischen Systemen einen Transformationsprozess in Richtung Nachhaltigkeit unterstützen können. Das Projekt fokussiert auf sogenannte "leverage points" (Systemeigenschaften, bei denen kleine Änderungen zu fundamentalem Wandel im Gesamtsystem führen). Es untersucht Wandel und Dynamiken in drei grundlegenden Systemeigenschaften: institutionelle Dynamiken, Mensch-Umwelt-Interaktionen, nachhaltigkeitsbezogene Wissensproduktion. Universität Oldenburg: Resilience of Socio-technical Systems Exemplified at the Electricity Transport and Actor System
Nur wenn ökologische, technische und soziale Systeme so auf Störungen reagieren können, dass ihr Bestand und ihre Entwicklungsfähigkeit gewahrt bleiben, ist nachhaltige Entwicklung möglich (sog. Resilienz). Beispielsweise muss ein zukunftsträchtiges Energiesystem resilient gegenüber dem Klimawandel sein. Das Hauptziel dieses Projekts besteht darin, physikalische, ökonomische, institutionelle und soziale Eigenschaften resilienter sozio-technischer Systeme am Beispiel des Energietransportsystems zu identifizieren.

Niedersächsisches Vorab – Hintergrund:

Nach Paragraf 8 Abs. 2 der Satzung der VolkswagenStiftung setzt sich das "Vorab" aus drei Teilen zusammen: Es umfasst zum einen den Gegenwert der jährlichen Dividende auf nominal 77,3 Millionen Euro VW-Aktien, der der VolkswagenStiftung aus der Beteiligung des Landes Niedersachsen an der Volkswagen Aktiengesellschaft zusteht, ferner den Ertrag aus der Anlage von 35,8 Millionen Euro aus einem Vertrag mit dem Land Niedersachsen von 1987 sowie zehn Prozent der übrigen zur Verfügung stehenden Fördermittel. Innerhalb des Programms "Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung“ folgen noch zwei weitere Ausschreibungsstichtage (15. März 2015 und 15. März 2016). Weitere Informationen unter "Niedersächsisches Vorab".