Das Framing macht's: Wissenschaftskommunikation braucht Fakten und Emotionen
Die US-Kommunikationsexpertin Dominique Brossard plädiert dafür, bei der Vermittlung wissenschaftlicher Themen den Deutungsrahmen und die Emotionen der jeweiligen Zielgruppe stärker zu berücksichtigen. – Ein Beitrag zum Themenschwerpunkt "Wissenschaft und Gesellschaft" der VolkswagenStiftung.
Für Dominique Brossard ist klar: Wer Wissenschaftsthemen wirkungsvoll vermitteln will, sollte wissen, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Denn nicht allein Vernunft und nüchterne Analyse bestimmen unser Denken und Verhalten, sondern individuelle Deutungsmuster und mentale Abkürzungen. Wer bei seinen Zuhörern und Lesern Resonanz erzeugen will, muss sie auch auf der Ebene ihrer Wertvorstellungen und Emotionen ansprechen.
Auf den ersten Blick ist die Sache ganz einfach: Wenn die Wissenschaft in der Gesellschaft Unterstützung und Zustimmung für ihre Ziele gewinnen will, muss sie den Menschen nur gut genug erklären, worum es geht und warum die jeweilige Forschung sinnvoll und wichtig ist. Dann, so die Theorie, werden die Leute die Wissenschaft nicht nur verstehen, sondern auch akzeptieren.
Weit gefehlt, meint Dominique Brossard, Professorin für Life-Science-Kommunikation an der Universität von Wisconsin-Madison: "Die psychologische Forschung hat längst gezeigt, dass das ein Mythos ist." Manch ein Forscher würde zwar noch immer an das sogenannte Defizit-Modell glauben, das besagt, dass die Einstellung von Menschen gegenüber der Wissenschaft vor allem davon abhängt, wie viel sie darüber wissen und wie gut sie verstehen, worum es dabei geht. So sei zum Beispiel eine kritische Haltung gegenüber der Stammzellforschung oder der Gentechnik vor allem auf einen Mangel an Wissen zurückzuführen. Und das würde bedeuten: Wenn man die Unterstützung und Zustimmung der Öffentlichkeit für bestimmte Themen der Wissenschaft gewinnen will, muss man einfach diesen Mangel beheben, indem man die richtigen Fakten und Informationen liefert.
Die Erkenntnis, dass es so einfach nicht ist, verdankt die Wissenschaft vor allem den israelischen Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky. In unzähligen Versuchen konnten sie belegen, dass häufig nicht Vernunft und nüchterne Analyse unser Denken und Verhalten bestimmen. Vielmehr nutzt unser Gehirn sogenannte Heuristiken – also bestimmte Muster zur Beurteilung einer Wirklichkeit, die nur selten in all ihren wichtigen Aspekten zu überschauen ist. Heuristiken machen komplexe Sachverhalte leichter denkbar und helfen uns, mit begrenztem Wissen, unvollständigen Informationen, wenig Zeit oder Motivation Entscheidungen zu treffen und Urteile zu fällen: Ob wir nun eine Fußballwette abschließen, in der Kantine ein Gericht wählen oder im Stau entscheiden, ob wir besser auf der Autobahn bleiben oder abfahren sollen. Ziel von Heuristiken ist es also, mit möglichst wenig Anstrengung auch bei geringem Wissen ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. Das ist in vielen Fällen effizient. Das bedeutet aber auch, so Brossard, dass "wir nicht mehr denken als wir müssen". Stattdessen nutzen wir mentale Abkürzungen.
Eine maßgebliche Rolle dabei spielen die sogenannten Frames, gedankliche Deutungsrahmen, die – ohne, dass wir es merken – unser Denken beeinflussen. Framing bedeutet zum einen, dass wir vorgefertigte Bilder im Kopf haben. Beim Hören eines Wortes zum Beispiel denken wir nicht an den abstrakten Begriff. Vielmehr rufen wir alles ab, was wir uns an "Weltwissen" dazu angeeignet haben und was unser Gehirn damit verbindet. Oft sind es Bilder, die wir mit einem Stichwort assoziieren. Wenn man etwa das Wort "Vogel" liest, greift unser Gehirn automatisch auf das zurück, was es gelernt hat, damit zu verbinden, nämlich: Flügel, Schnabel, Federn.
Zum anderen bedeutet Framing, dass unser Gehirn Filter nutzt: Es selektiert Fakten, indem es bestimmten Informationen größere Bedeutung zuschreibt und manche gar nicht beachtet. Das hängt vor allem mit den Erfahrungen zusammen, die wir in unserem Leben machen und die unseren Alltag bestimmen. Gefühle und Erinnerungen haben einen großen Einfluss auf unseren Deutungsrahmen. Welche Bilder im Kopf eines Menschen entstehen und welche Filter bei bestimmten Themen aktiv werden, ist individuell sehr unterschiedlich und hängt stark davon ab, in welchem sozialen Umfeld er lebt und welche persönlichen Wertvorstellungen er hat.
Fest steht für Brossard damit auch: All diese Faktoren beeinflussen auch die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber wissenschaftlichen Themen, ob nun Stammzellforschung, Gentechnik, Klimawandel oder die Frage, ob Impfungen Kindern eher schaden oder nützen. Daher ist es ihrer Meinung nach umso wichtiger, sich bei der Wissenschaftskommunikation mit der Existenz und der Auswirkung von Frames zu befassen.
"Wenn ich zum Beispiel mit sehr religiösen Menschen über die Forschung an embryonalen Stammzellen sprechen möchte, muss ich das berücksichtigen", betont die Kommunikationsexpertin. Es habe keinen Sinn, dann auf der reinen Faktenebene zu argumentieren und immer wieder zu erklären, dass Stammzellen keine Embryos sind: "Mit Informationen allein werden Sie niemanden von irgendetwas überzeugen." Viel erfolgversprechender sei es, den Rahmen zu finden, der für diese Menschen relevant und ausschlaggebend ist. In diesem Fall möglicherweise der religiös motivierte Wunsch, kranken und leidenden Menschen zu helfen.
Entscheidend ist es daher für Brossard, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Forschungsinstitutionen stets fragen: Welche Bilder, welche Anekdoten, welche Vorbilder führen dazu, dass meine Wissenschaftsstory in den Köpfen meines Gegenübers eine Resonanz erzeugt? "Das nämlich ist der Schlüssel."
Autorin: Cornelia Stolze
Dominique Brossard war Referentin bei der Herrenhäuser Konferenz "Lost in the Maze - Navigating Evidence and Ethics in Translational Neuroscience" im Februar 2017 in Hannover.
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