Veranstaltungsbericht

Nachhaltiger Tourismus – eine Utopie? Wie wir bewusster reisen können

#Xchange #Nachhaltigkeit

Wie können wir Reisen so gestalten, dass sie nicht nur unseren Horizont erweitern, sondern auch die Welt, die wir bereisen, bewahren? Diese Frage stand im Zentrum der interaktiven Podiumsdiskussion "Nachhaltiger Tourismus – eine Utopie? Wie wir bewusster reisen können" am 29. Oktober 2024. #IdeenFürMorgen

Moderiert von Jan Sedelies diskutierten Dr. Elena Fischer (Bremen Tourismus und Hochschule Bremen), Prof. Dr. Wolfgang Strasdas (Zentrum für Nachhaltigen Tourismus, Hochschule Eberswalde) und Petra Thomas (forum anders reisen e.V.)  über Herausforderungen und Lösungsansätze von nachhaltigem Tourismus. Hauptthemen waren Umweltbelastungen durch Reisen, soziale Verantwortung von Reisenden und die Rolle der Tourismusbranche in einer globalisierten Welt.

Menschen sitzen im Halbkreis um ein Podium mit vier Personen

Die Podiumsgäste Petra Thomas, Wolfgang Strasdas und Elena Fischer (v. l.) diskutierten unter der Moderation von Jan Sedelies mit einem engagierten Publikum bei "Herrenhausen Xchange - Deine Ideen für Morgen".

Tourismus im Spannungsfeld von Begeisterung und Verantwortung

Am Anfang der Diskussion stand die Frage, wie sich das Bedürfnis nach Reisen mit Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen vereinbaren lässt. Massentourismus, Ressourcenverbrauch und die Zerstörung natürlicher Lebensräume wurden als zentrale Probleme genannt. Petra Thomas betonte, dass für Reisende heute authentische Erlebnisse im Vordergrund stünden. Wolfgang Strasdas erläuterte die Entwicklung von "sanftem Tourismus" und Nachhaltigkeitskonzepten seit den 1980er Jahren, auch im Zusammenhang mit der Rio-Konferenz 1992.

Wann ist Tourismus nachhaltig?

Die Frage, was genau nachhaltigen Tourismus ausmacht, war ein zentrales Thema der Veranstaltung. Für Strasdas ist es wichtig, nicht nur die ökologischen, sondern auch die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus zu berücksichtigen. Der Tourismus sei für viele Länder von existenzieller Bedeutung, insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer. 

Elena Fischer erläuterte bezogen auf Tourismus in Deutschland, dass in Bremen 50 Prozent der Reisenden Geschäftsreisende seien. Bei diesen spiele Nachhaltigkeit eine größere Rolle, da viele Unternehmen mittlerweile klare Vorgaben für eine nachhaltige Reiseplanung hätten. In Bremen gibt es einen Katalog von Hotels, Restaurants und anderen Dienstleistern, die nach nachhaltigen Kriterien arbeiten. Nachhaltiges Reisen beinhalte beispielsweise die Verwendung regionaler Produkte und die Unterstützung der lokalen Wirtschaft.

Sketch Note mit vielen kleinen Bildern zum Thema Nachhaltiger Tourismus

In der Bildergalerie: Ausschnitte aus der Sketchnote von Paula Föhr, mit Kernaussagen der Referent:innen sowie Take-Home-Messages aus der Veranstaltung.

Sketchnote "Bereist Deutschland"
Sketchnote mit Kreuzfahrtschiff
Sketchnote - Abwägung
Sketchnote: Muss es für mich Sonne und Strand sein?
Sketchnote: Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist gestiegen
Sketchnote: Tourismus zur Erhaltung der Natur
Sketchnote: Das ist doch unsere Wirtschaftsgrundlage
Sketchnote: Sanfter Tourismus - Das ist wichtig!

Nachfrage und Akzeptanz 

Die Nachfrage nach nachhaltigen Angeboten wächst leider nur in geringem Umfang. Thomas berichtete, dass rund 12 Prozent der deutschen Reisenden auf Nachhaltigkeit achten. Nachhaltigkeit bedeute auch, die lokale Bevölkerung einzubeziehen, so Thomas. Die Menschen vor Ort müssen entscheiden können, welchen Art von Tourismus sie wollen, um langfristig Nutzen und Akzeptanz zu sichern.

Nachhaltigkeit zertifizieren: Die Rolle von Labels und Zertifikaten

Auch über Möglichkeiten, nachhaltige Anbieter von Reiseleistungen kenntlich zu machen, diskutierten die Teilnehmenden. Strasdas erläuterte, dass es mittlerweile eine Vielzahl von Nachhaltigkeitszertifikaten gebe, die jedoch schwer zu durchschauen seien. Auf der Reiseplattform Label-online.de der Verbraucherzentrale können sich Verbraucher:innen über nachhaltige Angebote informieren und Anbieter vergleichen.

Zum Thema CO₂-Kompensation für Reisen betonte Thomas, dass Kompensation sinnvoll, aber kein Allheilmittel sei. Der Fokus müsse vielmehr auf der Reduktion von Emissionen liegen , was nur über entsprechende Verpflichtungen der Reiseanbieter funktionieren könne. 

Verantwortung von Politik und Reisebranche

Strasdas erklärte, dass nachhaltiges Reisen oft teurer und komplizierter sei als die üblichen massentouristischen Angebote. Solange dies der Fall sei, werde sich nicht viel ändern. Politische Maßnahmen wie die CO2-Bepreisung könnten helfen, die wahren Kosten des umweltschädlichen Reisens transparenter zu machen, er betonte zudem die Bedeutung des EU Green Deal.

Thomas verwies auf die Verantwortung der Reisebranche, die mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten sollte. Ein gutes Angebot an nachhaltigen Reisen sei die Grundlage dafür, dass sich mehr Menschen für bewussteres Reisen entscheiden.

sketchnote "Wir wissen genau, was nachhaltiger wäre"

Nachhaltige Reiseinitiativen

Da bei Herrenhausen Xchange der Dialog mit dem Publikum im Mittelpunkt steht, hatten zum Abschluss der Veranstaltung verschiedene Initiativen die Möglichkeit, sich vorzustellen. Ein Workshop-Projekt von JANUN e.V. sensibilisiert Jugendliche für nachhaltiges Reisen. hannover-wanderbar.de stellte ein Angebot vor, das geführte Wanderungen durch Hannover organisiert, um die Stadt umweltfreundlich neu zu entdecken. Und eine Teilnehmerin, selbst Inhaberin eines kleinen Reisebüros, ermutigte zu einer Reise nach Lampedusa, um trotz des durch die Flüchtlingswelle verursachten Rückgangs des Tourismus die lokale Wirtschaft zu unterstützen und ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Ausblick: Wohin geht die Reise?

Die Veranstaltung endete mit praktischen Tipps und Empfehlungen für die Zukunft des Reisens. Elena Fischer sprach sich für eine stärkere Förderung des Deutschlandtourismus aus. Strasdas riet zu Reisen in so genannte "Under-Tourism"-Regionen, also in strukturschwache Gebiete, die bisher vom Massentourismus verschont geblieben sind. Thomas betonte, dass das Reisen in Etappen wertvolle Erlebnisse und nachhaltigere Optionen ermögliche und bereits den Weg zum Ziel mache.

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