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03. Apr. 2025, 18:00 Uhr - 20:00 Uhr
Ist weniger mehr? Wie wir durch Minimalismus bewusster leben können
Weniger besitzen, bewusster leben - Minimalismus kann ein Weg zu einem nachhaltigeren, bewussteren Leben sein, so das Fazit bei Herrenhausen Xchange am 3. April. #ideenfuermorgen
Am 3. April 2025 fand im Xplanatorium Herrenhausen eine interaktive Podiumsdiskussion zum Thema Minimalismus statt. Unter dem Titel "Ist weniger mehr? Wie wir durch Minimalismus bewusster leben können" diskutierten Expert:innen und Teilnehmende, wie weniger Besitz und ein bewussterer Konsum zu einem erfüllteren Leben führen können. Die Veranstaltung wurde von Jan Sedelies moderiert und durch interaktive Elemente und praxisorientierte Perspektiven bereichert.
Zu Beginn wurden die Teilnehmenden gefragt, wie sie Minimalismus in ihrem Alltag integrieren. Die Antworten verdeutlichten unterschiedliche Ansätze. Fast die Hälfte aller Stimmen gab es für "weniger und bewussterer Konsum". Nahezu gleichauf lagen die Nennungen derjenigen, die Minimalismus in Form von "weniger Terminen", "weniger, dafür intensiveren sozialen Kontakten" oder "schlichter gestaltetem oder kleinerem Wohnraum" praktizieren. Nur ein Zehntel gab an, derzeit keinen Minimalismus in ihrem Leben umzusetzen.
Prof. Dr. Susanne Doppler von der Fresenius Hochschule Heidelberg stellte eine eigene Studien mit qualitativen Interviews vor, in der alle Befragten Minimalismus als einen Weg zu mehr Glück empfanden. Dabei ging es nicht nur um den Verzicht auf Besitz, sondern auch um bewusstes Konsumverhalten. Sie empfahl, eine "Buying-List" zu führen – eine Liste, auf der gewünschte Gegenstände notiert werden. Besteht der Wunsch nach drei Tagen weiterhin, kann der Gegenstand mit einem Stern markiert werden. Erst, wenn der Gegenstand nach einer weiteren Woche immer noch bewusst auf der Liste steht, sollte eine Kaufentscheidung getroffen werden. Dies reduziere voreilige Kaufentscheidungen deutlich.
Jesse Hahn vom Forschungsinstitut für Philosophie Hannover stellte Minimalismus als Möglichkeit dar, nicht nur für sich selbst, sondern auch im Umgang mit der Umwelt Zufriedenheit zu finden. Für ihn gibt es nicht "den" Minimalismus, sondern viele unterschiedliche Praktiken, aus denen jede:r das für sich Passende wählen kann.
Can Lewandowski, Geschäftsführer von ReCup, brachte neben seinem privaten auch einen unternehmerischen Blick auf das Thema ein. ReCup ist das größte Mehrwegsystem Deutschlands. Lewandowski erklärte, dass sich Minimalismus auch in der Wirtschaft umsetzen lasse, etwa durch das Schaffen nachhaltiger Alternativen, ohne unnötig Ressourcen zu verbrauchen. Er betonte, dass Minimalismus nicht den Verzicht bedeute, sondern die Fokussierung auf das Wesentliche.
Was ist Minimalismus?
Prof. Dr. Doppler erläuterte, dass es beim Minimalismus aus theoretischer Perspektive zunächst um die Menge des Besitzes gehe. In einem weiter gefassten Verständnis stelle sich jedoch vielmehr die Frage, wie Menschen leben möchten, welche Zukunft sie anstreben und welche Rolle Konsum darin spielt. Minimalismus könne helfen, das Leben zu vereinfachen und bewusster zu gestalten. Doppler nannte vier Hauptmotive, warum Menschen einen minimalistischen Lebensstil wählen:
- Komplexitätsreduktion: Weniger Besitz bedeutet weniger Entscheidungen in einer hoch komplexen Welt – und damit mehr Klarheit im Leben.
- Psychologische Aspekte: Altruistische Entscheidungen spielen eine Rolle – etwa Verantwortung für die Umwelt durch Ressourcenschonung .
- Ethisch-moralische Überlegungen: Verzicht auf Produkte von Unternehmen, die umweltschädlich oder unethisch produzieren.
- Finanzielle Aspekte: Geld sparen, weniger arbeiten und dadurch mehr Zeit haben.
In Deutschland, so Doppler, sei insbesondere der Aspekt der Komplexitätsreduktion entscheidend.
Minimalismus – Trend oder zeitlose Bewegung?
Hahn betonte, dass Minimalismus keine neue Erscheinung sei. Schon vor 2.000 Jahren hätten Philosophen wie die Kyniker über Unabhängigkeit von äußeren Dingen und das Streben nach innerer Ruhe nachgedacht - ähnlich den heutigen Konzepten von Resilienz. Minimalismus sei ein wiederkehrendes gesellschaftliches Thema, das sich immer wieder neu formiere.
Wirtschaft und Nachhaltigkeit
Lewandowski berichtete, dass ReCup mit seinem Mehrwegsystem bereits wirtschaftlich erfolgreich sei und eine nachhaltige Zukunft anstrebe. Er erklärte, dass es beim Minimalismus nicht um den völligen Verzicht gehe, sondern darum, bewusst zu konsumieren und nur das zu besitzen, was einem persönlich wirklich wichtig ist. Wenn beispielsweise ein genereller Wunsch nach Coffee-to-go in der breiten Bevölkerung besteht, sollte zumindest nach einer nachhaltigen Lösung gesucht werden.
Laut Studien lassen sich Menschen in zwei Gruppen einteilen: Während die einen freiwillig Verhaltensänderungen umsetzen ("Lustmenschen"), benötigen andere externen Druck ("Zwangmenschen"). Daher sei es wichtig, innerhalb bestehender Systeme Anreize zu schaffen, um beide Gruppen zu erreichen. Wichtig sei zudem, eine konkrete Vision davon zu haben, wie ein nachhaltiges System im Endzustand aussehen könne, um auf dieses Ziel hinarbeiten zu können.
Doppler ergänzte, dass Minimalismus nicht zwangsläufig als Verzicht, sondern als kreativer Weg der Lebensgestaltung verstanden werden könne. Viele ihrer Studienteilnehmenden empfänden den minimalistischen Lebensstil als Bereicherung. Doppler riet dazu, Konsummuster zu hinterfragen und sich bewusst zu machen, was man wirklich braucht. Lewandowski betonte, dass es nicht darum gehe, nichts mehr zu kaufen, sondern darum, Impulskäufe und minderwertige Produkte zu vermeiden.
Die Bedeutung von Zeit
Ein weiterer zentraler Punkt war die Frage nach dem bewussten Umgang mit Zeit. Doppler wies darauf hin, dass viele Menschen ihre Zeit mit Ablenkungen verbringen, beispielsweise durch soziale Medien oder anderen oberflächliche Aktivitäten. Minimalismus könne dabei helfen, mehr Raum für tiefergehende Beziehungen und Selbstfürsorge zu schaffen. Lewandowski ergänzte, dass es darum gehe, sich bewusst zu machen, welche Aktivitäten wirklich bereichern – und nicht in einem übervollen Terminkalender oder der Schnelllebigkeit des Alltags unterzugehen.
Gesellschaftliche Perspektive
Die Veranstaltung schloss mit der Frage, wie Minimalismus sich stärker in der Gesellschaft verankern lässt. Doppler betonte, dass jede:r dem Konsumdruck entkommen könne. Lewandowski verwies darauf, dass Second-Hand-Angebote und Tauschbörsen heute breite gesellschaftliche Akzeptanz genießen – ein Zeichen, dass Minimalismus auch im Mainstream angekommen ist.
Hahn sah besonderes Potenzial in kleineren, organisierten Gemeinschaften. Wenn sich Menschen vor Ort zusammenschließen, etwa um Tauschinitiativen zu starten, steige die Selbstwirksamkeit: Man erlebt, dass man etwas bewirken kann. Wichtig sei laut Hahn außerdem, moralische Botschaften nicht mit erhobenem Zeigefinger zu vermitteln, sondern einladend und motivierend. Kleine soziale Gruppen könnten hier als wertvolle Vorbilder wirken - denn viele individuelle Handlungen zusammen können große systemische Veränderungen anstoßen.
Praktische Tipps aus dem Publikum
Auch das Publikum beteiligte sich – wie bei Herrenhausen Xchange üblich – mit wertvollen Tipps zum Thema Minimalismus: So setzt sich Foodsharing Hannover dafür ein, Lebensmittel vor der Entsorgung zu retten und weiterzuverwerten. Initiativen wie wasmitHerz e.V. in Hannovers Nordstadt, ausgezeichnet für bürgerschaftliches Engagement, organisiert gemeinsames Kochen mit geretteten Lebensmitteln und fördern dabei den Austausch von Talenten, Ressourcen und Kulturen. Zudem gibt es in Hannover zahlreiche Repair-Cafés, in denen defekte Geräte gemeinsam repariert werden. Plattformen wie Nebenan.de oder die Bibliothek der Dinge bieten Möglichkeiten zum Teilen und Ausleihen von Gegenständen – und damit zum gemeinschaftlichen und ressourcenschonenden Konsum.
Fazit
Die Veranstaltung machte deutlich: Minimalismus ist mehr ist als ein Trend – er ist ein möglicher Weg zu bewussteren, nachhaltigeren Leben. Es geht um die Konzentration auf das Wesentliche, sei es im Konsum, im Umgang mit der Zeit oder in zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Expert:innen waren sich einig: Minimalismus eröffnet neue Perspektiven für ein nachhaltigeres, zufriedeneres Leben – sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene.
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