Was hat die Förderung der Evolutionsbiologie gebracht? VolkswagenStiftung zog Bilanz
Rund hundert Gäste beim Symposium „The Evolution of German Evolutionary Biology". Vom 7. bis 9. Juli in Hannover warfen sie einen Blick zurück auf ein Jahrzehnt erfolgreicher Förderung im Bereich Evolutionsbiologie.
Mehr als 120 Projekte hat die VolkswagenStiftung in ihrer Förderinitiative zur Evolutionsbiologie gefördert und binnen zehn Jahren einem weitgehend brachliegenden Forschungsgebiet in der deutschen Wissenschaftslandschaft zu neuer Blüte verholfen. Etwa hundert Doktoranden und Postdoktoranden haben in diesem Zeitraum von einer Individualförderung profitiert.
Drei Projekte in der Kurzvorstellung:
Prof. Dr. Katharina Wollenberg Valero war eine der ersten Stipendiatinnen und ist seit 2013 Professorin an der Bethune Cookman University in Florida, USA. Sie ging der Frage nach, welche Merkmale einzelne Tiergruppen, konkret: eine bestimmte Echsenart, in der Evolutionsgeschichte erfolgreich machen. Sie forschte an der Grenze, an der eine Art anfängt, sich in zwei Arten aufzuspalten. Was dabei herauskam? "In der Genetik der Tiere habe ich Faktoren gefunden, die der bis dato geltenden Lehrbuchmeinung widersprachen. Heute kann man sagen: Artbildung findet auch ohne strikte räumliche Barrieren statt."
Ebenfalls auf dem Feld "Evolution und Biodiversität" bewegt sich Dr. Martin Kaltenpoth. Er ist inzwischen Leiter einer Max-Planck-Forschergruppe am MPI für chemische Ökologie in Jena. Seine Untersuchungsobjekte sind bestimmte Grabwespen, die so genannten Bienenwölfe. Sie jagen Honigbienen, die sie als Nahrung für ihren Nachwuchs in Erdhöhlen einlagern. Die Bienenwolf-Larven wiederum beherbergen nützliche Bakterien auf ihrem Kokon, die einen Schutz gegen schädliche Mikroorganismen garantieren. Im Zuge seiner stiftungsgeförderten Forschung wies Kaltenpoth mit seinem Team nach, dass es Bakterien der Gattung Streptomyces sind, die hier wirken – und dass diese einen Cocktail aus neun (!) verschiedenen Antibiotika produzieren, um „Schädlinge“ vom Kokon fernzuhalten.
"Erstaunlicherweise weiß man über die ökologische Bedeutung von Antibiotika in ihrer natürlichen Umgebung erst sehr wenig. Mit Hilfe der bildgebenden Massenspektrometrie können wir die natürliche Rolle von antibiotischen Substanzen in der Umwelt jetzt besser verstehen", erläuterte Kaltenpoth in Hannover. "Wir vermuten auch, dass solche „Schutz-Symbiosen“ wie die zwischen Bienenwölfen und Streptomyceten im Tierreich viel weiter verbreitet sind als bislang angenommen." Die Untersuchung jener Substanzen, die im Zuge der "Schutz-Symbiosen" eine Rolle spielen, trügen nicht nur zum Verständnis der Evolution solcher Symbiosen bei, sondern könnten auch zur Entdeckung interessanter neuer Wirkstoffe für die Humanmedizin führen – ein brandaktuelles Thema, dem die Stiftung in Kürze eine eigene wissenschaftliche Veranstaltung widmen wird.
Auch Yingguang Frank Chan, Ph. D., ist heute Leiter einer Max-Planck-Forschergruppe, und zwar in Tübingen. Im Rahmen seiner zweijährigen Postdoktorandenförderung durch die VolkswagenStiftung hat er die Veränderungen im Erbgut sogenannter „Riesenmäuse“ untersucht, die für den Gigantismus der Tiere „verantwortlich“ sind.
Auch neue Impulse für Evolutionsbiologie als Lehrfach: Der eklatante Mangel in Lehre und Ausbildung – und demzufolge auch an Absolventen und evolutionsbiologisch arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – war Anlass genug für die VolkswagenStiftung, sich mit der "Initiative Evolutionsbiologie" nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Unterstützung der Lehre zu engagieren. Vier Ausbildungskonzepte wurden im Zuge zweier Wettbewerbsrunden auf den Weg gebracht. Die Curricula an den Universitäten in München (LMU), Potsdam, Münster und Tübingen schrieben alle auf ihre eigene Weise Erfolgsgeschichte.
"Über ein Bündel konträrer und – fast so als sei es geplant – einander bestens ergänzender Ansätze ist das Themen- und Forschungsfeld Evolution in Deutschland wieder geworden, was es eigentlich immer hätte sein sollen: eine starke Wissenschaft, unter deren Einfluss Entwicklungen vielfältiger Art einen entscheidenden Schub erfahren können", sagte Dr. Wilhelm Krull, der Generalsekretär der VolkswagenStiftung.