Neue Erkenntnisse zum Westlettner des Naumburger Doms
Der Naumburger Dom stand über drei Jahre im Fokus des "Naumburg Kollegs": Elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben darin zahlreiche Forschungsprojekte zum Naumburger Dom durchgeführt. Derzeit werden die spannenden Ergebnisse nach und nach publiziert: Am 1. März 2014 erschien die Doktorarbeit des Kunsthistorikers Peter Bömer, die sich mit den Skulpturen des Naumburger Westlettners beschäftigt. Weitere interessante Veröffentlichungen folgen.
Der Naumburger Dom zählt zu den bedeutendsten Sakralbauten Deutschlands. Die Architektur und Ausstattung des Westchors aus dem 13. Jahrhundert mit seinen bekannten Stifterfiguren verleihen ihm weltweit eine große historische und baukünstlerische Bedeutung. Im Rahmen des Naumburg Kollegs, das die VolkswagenStiftung mit 1,5 Millionen Euro gefördert hat, wurden verschiedene Forschungsfragen erörtert – sowohl aus historischer, als auch aus kunsttechnologischer und tourismuswissenschaftlicher Sicht. Die Veröffentlichung der Ergebnisse in Dissertationen, die die jungen Forscher im Kolleg erarbeitet haben, ist bis Ende 2015 vorgesehen; zwei davon sind jetzt erschienen.
In seiner Dissertation gelangt Dr. Peter Bömer zu zwei neuen und grundlegenden Ergebnissen, welche die aktuelle Forschung entscheidend beeinflussen. Zum einen konnte der Kunsthistoriker enge künstlerische Verflechtungen des Naumburger Westlettners mit der Westfassade der Kathedrale von Reims nachweisen. Diese Einflüsse wurden bislang in der Forschung nicht berücksichtigt – wegen einer zu späten Datierung der Skulpturengruppe in Reims. Zum anderen lässt Bömers Untersuchung darauf schließen, dass Westchor und Westlettner zu ihrer Entstehungszeit vor allem für die Liturgie durch den Klerus genutzt wurden.
Der interdisziplinäre Austausch mit anderen Wissenschaftlern, den das Kolleg ermöglicht hat, begeistert Peter Bömer bis heute: "Die Konstellation des Naumburg Kollegs, in dem sechs unterschiedliche Fachbereiche zusammengebracht wurden, hat mir ideale Voraussetzungen für meine Arbeit geboten." Auch Dr. Christina Hans, die im Sommer 2013 die erste Dissertation des Naumburg Kollegs veröffentlicht hat, empfand die Einblicke in unterschiedliche Fächer und deren jeweilige Methodik als besonders gewinnbringend. "Die Ergebnisse meiner Studie zum Naumburger Dom als Wahrzeichen der Stadt werden bereits als Grundlage für das operative und strategische Tourismusmanagement der Domstifter genutzt", freut sich die Tourismusforscherin.
In der Zusammenarbeit der Promovierenden hatten sich viele Berührungspunkte und Verknüpfungen zwischen verschiedenen Disziplinen ergeben, Fragestellungen haben sich erweitert. "Dass interdisziplinäre Zusammenarbeit sich lohnt, ist eine Erkenntnis, die die Kollegiaten bestimmt für ihr weiteres Arbeiten und Forschen mitnehmen werden", betont die Restauratorin Annemarie Huhn, die das Projekt koordiniert hat. Die Dissertationen leisten einen wichtigen Beitrag zur weiteren Forschung im Zusammenhang mit dem Naumburger Dom und anderen aktuellen kulturhistorischen Fragestellungen. Sie erscheinen im Verlag Friedrich Pustet. Folgende neun Promotionsschriften des Naumburg Kollegs sind derzeit in Vorbereitung:
- Tim Erthel: "Dombau und Kirchenfabrik in Naumburg im späten 15. und 16. Jahrhundert"
- Alexander Sembdner: "Das Werden einer geistlichen Stadt. Die geistlichen Institutionen Naumburgs von 1028 bis 1400"
- Sabine Treude: "Stiftergedenken in Statuen des 12.-14. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland"
- Dominik Jelschewski: "Die Skulpturen des Naumburger Westchores – Skulptur, Architektur, Bautechnik"
- Ilona Dudzinski: "Der Westlettner des Naumburger Domes – Bauforschung in Architektur und Skulptur"
- Daniela Karl: "Die Polychromie der Naumburger Stifterfiguren. Kunsttechnologische und konservierungstechnische Untersuchungen"
- Bernadett Freysoldt: "Der Naumburger Westlettner – Kunsttechnologische Erfassung seiner Bildwerke"
- Jacqueline Menzel: "Identifikation von Pigmenten an polychromen Skulpturen. Kombination von mobiler Mikro-Ramansonde und Labormethoden"
- Susanne Frank: "Nachhaltige touristische Entwicklung und Nutzung von sakralen Kulturgütern im Spannungsfeld zwischen Gebrauch und Verbrauch: Der Naumburger Dom"
Hintergrund Naumburg Kolleg:
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Rahmen des Naumburg Kollegs von der VolkswagenStiftung gefördert wurden, haben dreieinhalb Jahre an der Schnittstelle zwischen Naturwissenschaften, Geschichte und Kunst gearbeitet. Elf Doktoranden aus sechs Fachbereichen sowie fünf Universitäten forschten zur Baugeschichte, Ausstattung und Konservierung des Westchors. Die VolkswagenStiftung hat das Graduiertenkolleg in ihrer Förderinitiative "Offen – für Außergewöhnliches" mit insgesamt 1,5 Millionen Euro gefördert.
Während der Forschungsprojekte haben die Geförderten ihre Arbeiten filmisch begleitet. Zu sehen sind diese Ergebnisse auf dem Portal "Science Movies".
Zu den Forschungsprojekten ist Bildmaterial vorhanden, Download über die Mediathek der VolkswagenStiftung; Abdruck unter Verwendung des Copyright-Hinweises honorarfrei. Alle Fotos: VolkswagenStiftung/Naumburg Kolleg