Illustration: Mann mit Laborbrille und Lupe blickt auf ein Modell der Erde
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Die Erde als System begreifen: 10 Mio. Euro für Neuausrichtung und Vernetzung in den "Erdsystemwissenschaften"

Die Erdsystemwissenschaften betrachten die Welt als komplexes System. Phänomene wie der Klimawandel sind in dieser Sichtweise das Ergebnis von Wechselwirkungen, deren Zusammenspiel die Erdsystemwissenschaften erforschen. Um diesen Leitgedanken in Forschung und Lehre zu etablieren, hat die VolkswagenStiftung rd. 10 Mio. Euro für sechs Juniorprofessuren bewilligt.

Die Juniorprofessuren sollen wesentlich dazu beitragen, Forschung und Lehre in den Hochschulen neu auszurichten, um eine übergreifende Perspektive auf das System Erde zu entwickeln. Deshalb forderte die Stiftung von den Antragsteller:innen in der Förderinitiative "Erdsystemwissenschaften" eine konkrete Forschungsagenda zusammen mit einem übergreifenden Strategiekonzept. Damit will die Stiftung sicherstellen, dass das Forschungsprojekt in Vernetzungsvorhaben relevanter Forschungsbereiche eingebettet ist. Beantragt werden konnten bis zu 1,5 Mio. Euro für bis zu sechs Jahre Laufzeit.

Erdsystemwissenschaft als neue Leitidee für die Geowissenschaften

Anlässlich eines Leopoldina-Symposiums am 19. Dezember 2022 kündigt die VolkswagenStiftung ein neues Förderangebot an. 50 Jahre nach den "Grenzen des Wachstums" soll wieder die Erde als Ganzes in den wissenschaftlichen Blick rücken.

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Sechs der beantragten Projekte hat das Kuratorium der VolkswagenStiftung kürzlich bewilligt. Sie reichen von der Untersuchung klimatischer Einflüsse auf Biodiversität über den Beitrag von Silikatverwitterung auf den CO2-Ausstoß bis hin zu Plattentektonik und Prozessen im Erdinneren und deren Einfluss auf die Erdatmosphäre – verglichen mit ähnlichen Prozessen auf der Venus. Zwei bewilligte Projekte stellen wir hier exemplarisch vor:

CASCADE – Cascading impacts of climate extremes: new perspectives for interlinking Earth System Sciences (Dr. Mariana de Brito, Universität Leipzig, rd. 1,56 Mio. Euro; Prof. Dr. Miguel Mahecha, rd. 110.000 Euro)

Um die Auswirkungen von Klimaextremen zu beforschen, will Mariana de Brito einen interdisziplinären Ansatz verfolgen, der Sozial- und Naturwissenschaften vereint. Dabei fokussiert sie auf die Folgen von Überschwemmungen und Dürren auf die Gesellschaft. Mithilfe von Zeitungsdaten sowie durch Bürger:innen- und Expert:inneninterviews und Umfragen möchte die Forscherin sowohl quantitative als auch qualitative Daten erheben, um auch die Sicht der Bevölkerung auf seltene Ereignisse mit schwerwiegenden Auswirkungen zu erfassen. Sie möchte wichtige gesellschaftliche und physikalische Treiber identifizieren, die den Auswirkungen von Klimaextremen zugrunde liegen. Dazu setzt sie Coputerlinguistik in Form von Natural-Language-Processing und Machine-Learning-Verfahren ein.

Die Juniorprofessur wird an der Fakultät für Physik und Erdsystemwissenschaften der Universität Leipzig angesiedelt sein. Durch die neuen Fördermittel will die Universität die Themen "Kopplung der Sphären des Erdsystems", "Systemische Risiken an der Schnittstelle von Klima- und Biodiversitätswandel unter dem Einfluss menschlicher Aktivitäten" und "Data Science und KI-Methoden zur Entschlüsselung komplexer Dynamiken" vertiefen. Unter anderem sollen eine Seminarreihe und eine Sommerschule dazu beitragen, eine Brücke zwischen der Juniorprofessur und den Naturwissenschaften zu schlagen und die Geisteswissenschaften zu integrieren.

Urban Remote Sensing (Dr. Valerie Graw, Ruhr-Universität Bochum, rd. 1,47 Mio. Euro; Prof. Dr. Adrian Immenhauser, rd. 220.000 Euro)

Ob Menschen in ländlichen oder städtischen Gegenden wohnen – ihr jeweiliges Handeln beeinflusst nicht nur ihre eigene direkte Umgebung sondern auch Mensch und Umwelt fernab dieser. So wirken etwa städtische Prozesse in diesen hochkomplexen Mensch-Umwelt-Systemen auch immer auf das ländliche System und umgekehrt. Dieses komplexe Zusammenspiel von Menschen und Umwelt bildet den Schwerpunkt der Juniorprofessur von Dr. Valerie Graw. Dabei bezieht sie die planetaren Grenzen in ihre Forschung mit ein und untersucht, welche Risikofaktoren ein stabiles System ins Wanken bringen können. Sowie auch, welche Resilienzansätze es gibt oder geben muss, um bspw. Schäden durch Naturgefahren zu minimieren. In diesem Kontext erforscht sie, wo sichere und wo gerechte planetare Grenzen liegen. Dazu analysiert und verarbeitet sie große Erdbeobachtungs-Datenmengen. Ihre Forschungsräume befinden sich unter anderem in Südamerika und Subsahara Afrika, wo sie auch indigene Gruppen in ihre Arbeit integriert.

Angesiedelt wird die Juniorprofessur in der Fakultät für Geowissenschaften, die durch die Bewilligung in einem neuen Programm Maßnahmen in Forschung und Lehre für die Stärkung und den Ausbau der Erdsystemwissenschaften konzipieren und umsetzen wird. Der Fokus liegt auf sicheren und gerechten planetaren Grenzen für Klima, Biosphäre, Wasser- und Nährstoffkreisläufe sowie Aerosole. Vernetzung, Forschungsdatenintegration, Studium und Lehre sowie Transfer und Kommunikation, bspw. in Form von Pop-Up CityLabs und Lehrer:innenfortbildungen, sind Kernelemente des Konzepts.

Weitere bewilligte Projekte:

Erdsystemwissenschaften

Universitäten mit geowissenschaftlichem Schwerpunkt können ein bis zwei Junior-Professuren mit Tenure-Track beantragen. Derzeit ist keine Antragstellung möglich.

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