WissKomm: "Die richtige Ausschreibung zum richtigen Zeitpunkt
Mit 15 Mio. Euro fördert die Stiftung vier Zentren zur Erforschung von Wissenschaftskommunikation. Ein Interview über Qualifikationskriterien und die Zukunft eines hochaktuellen Forschungsfeldes.
Cora Schaffert-Ziegenbalg und Selahattin Danisman betreuen die Ausschreibung "Wissenschaftskommunikation hoch drei" in der Förderabteilung der VolkswagenStiftung. Nach der Bewilligung von vier Zentren am 25. Juni 2021 beginnt nun die Phase praktischer Arbeit. Im Interview blicken beide zurück auf den Auswahlprozess und werfen einen Blick in die Zukunft: Wie wird die Stiftung die Zentren auf ihrem Weg weiter unterstützen?
Aus acht Anträgen im Finale wählte die internationale Fachjury vier aus für eine Förderung. Schon diese vier Anträge unterscheiden sich thematisch völlig voneinander. Wie kann man so heterogene Bewerbungen überhaupt strukturiert bewerten? Was waren die Kriterien?
Selahattin Danisman: Die Ausschreibung war komplex, keine Frage, und wir hatten einen ganzen Satz an Kriterien. Das wichtigste Kriterium war natürlich die Qualität der geplanten Wissenschaftskommunikationsforschung. Hier soll ja im Förderzeitraum ein substanzieller Beitrag zur Entwicklung des Forschungsfeldes geleistet werden. Des Weiteren waren die geplanten Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau sehr wichtig. Deshalb achtete die Jury auch darauf, ob und in welchen Rollen Doktorand:innen und Postdocs beteiligt werden oder ob Angebote für Masterstudiengänge und Graduate Schools geplant sind. Eng verknüpft mit der Forschungsfrage war die nach der Expertise der antragstellenden Teams, sowohl in der Forschung als auch in der Praxis. Und aus den Anträgen musste klar hervorgehen, dass alle auf Augenhöhe miteinander kooperieren, also Fach- und Wissenschaftskommunikationsforschung mit den Kommunikationsprofis aus der Praxis. Gleichrangigkeit in der Triangulation war ein wichtiges Kriterium.
Cora Schaffert-Ziegenbalg: Die Forschung über Wissenschaftskommunikation voranzubringen, ist das zentrale Motiv der Ausschreibung. Große Bedeutung hatte aber auch der fachliche Referenzpunkt, um den herum Kommunikationsformate entwickelt, ausprobiert und erforscht werden sollen. Die jetzt bewilligten Zentren haben erfreulicherweise ein breites Spektrum, angefangen von Planetary Health (München) über Künstliche Intelligenz (Tübingen) bis zu Visualisierungen von Gesundheitsthemen (Kiel) und der Kommunikation über das Wissenschaftssystem selbst (Rhein-Ruhr).
Danisman: Auch Governance-Fragen spielten eine Rolle. In den Zentren kommen verschiedene Expertisen und verschiedene Denkweisen zusammen. Wie arbeiten diese zusammen, welche Themen sollen in Zukunft angegangen werden und werden sie auch nach Ende der Förderung durch die VolkswagenStiftung weiterarbeiten können? Sehr wichtig war zum Beispiel auch eine entsprechende Absichtserklärung der Präsidien, die Zentren während und auch nach dem Ende der Förderung zu unterstützen.
Die hohe Fördersumme an sich ist schon ein Differenzierungsmerkmal für diese Ausschreibung. Gibt es noch weitere?
Schaffert-Ziegenbalg: Auch der Förderzeitraum von bis zu acht Jahren ist sicher außergewöhnlich. Normalerweise befristen Förderinstitutionen ihre Zusagen auf drei, längstens fünf Jahre. Nachhaltiger Kapazitätsaufbau und strukturelle Verankerung der Zentren werden jedoch Zeit brauchen – und wir verstehen uns als verlässliche Förderpartnerin, die die Zentren über einen langen Zeitraum begleiten und unterstützen wird.
Danisman: Ein weiteres wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die Einbindung von Expertisen außerhalb des Wissenschaftssystems – angefangen von Museen über Medien bis zu ganzen Stadtverwaltungen. Die Antragstellenden haben für ihre Anträge ein weites Netz gespannt, und nicht nur die Zahl, auch die Bandbreite an unterschiedlichen nichtwissenschaftlichen Akteuren, die dabei sein werden, haben uns sehr beeindruckt.
Im Juni 2021 wurden die Ergebnisse der #FactoryWisskomm präsentiert. Unter deren Dach haben 150 Fachleute auf Einladung von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek monatelang über Aspekte von Wissenschaftskommunikation debattiert, mit Empfehlungen für die Praxis. Sie beide waren in der AG "Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation" dabei. Wird die Forschung über Wissenschaftskommunikation jetzt plötzlich ein Trendthema? Steht die Stiftung mit ihrer Förderung an der Spitze einer neuen Bewegung?
Danisman: Das Thema hat Konjunktur, keine Frage. Aber der Bedarf zeichnete sich schon lange vor der #FactoryWisskomm ab. In der Stiftung haben wir vor zweieinhalb Jahren angefangen, uns näher mit der Idee einer Stärkung der Wissenschaftskommunikationsforschung in Deutschland zu befassen. Wir sahen eine sich abzeichnende Nachfrage nach evidenzbasierten Befunden, anhand derer erklärt werden kann, was in der Wissenschaftskommunikation funktioniert und was nicht. Und, vor allem, warum! Die Pandemie hat den Forschungsdruck nochmal deutlich erhöht und spätestens jetzt sollte allen Akteur:innen in der Wissenschaftswelt klar sein, dass Wissenschaftskommunikation Geist, Geduld und Geld braucht. Aus Sicht der Stiftung freut es uns natürlich, jetzt zum absolut richtigen Zeitpunkt mit einer so gründlich recherchierten und mit vielen Expert:innen entwickelten Ausschreibung eine Vorreiterrolle einnehmen zu können.
Schaffert-Ziegenbalg: Für uns war es sehr spannend, dass viele der Desiderate, die in der AG "Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation" festgestellt wurden, in unserer Ausschreibung bereits aufgegriffen werden, z.B. Kapazitätsaufbau oder der verstärkte Austausch zwischen Forschung und Praxis. Natürlich heißt das nicht, dass die vier Zentren damit alle Herausforderungen der Wissenschaftskommunikationsforschung in Deutschland lösen werden, aber sie sind ein guter Start.
Die Projekte sind bewilligt. Wie geht es weiter?
Schaffert-Ziegenbalg: Anfang Dezember 2021 werden wir eine Kickoff-Veranstaltung in Hannover anbieten – zum Kennenlernen und Vernetzen. Wir werden die vier Zentren zusammenbringen und gemeinsam Fragen klären, die alle in dieser Organisationsphase beschäftigen.
Danisman: Wir freuen uns darauf, endlich mal die Leute persönlich kennenzulernen, mit deren Anträgen wir uns in den vergangenen Monaten so intensiv befasst haben. Und wir freuen uns darauf, die Zentren auf ihrem weiteren Weg zu beraten. Gemeinsam können wir Großes bewirken, da gibt es keine Zweifel.