Illustration Roboter der einen Kinderwagen schiebt
Interview

Robotik braucht Verantwortung

Caroline Ring

Ethische Aspekte finden bei Entwurf und Programmierung von Robotern zu selten Berücksichtigung. Hier setzt Aimee van Wynsberghe an, Mitbegründerin und Co-Direktorin der "Foundation for Responsible Robotics".

Aimee van Wynsberghe wurde in London, Ontario, geboren, wo sie einen Bachelor-Abschluss in Zellbiologie machte. Sie verließ Kanada, um einen Master in Angewandter Ethik und Bioethik zu machen, und promovierte später in den Niederlanden in Roboterethik. 2015 war sie Mitbegründerin der "Foundation for Responsible Robotics", die sie heute gemeinsam mit Shannon Vallor leitet. Aimee van Wynsberghe lebt in Den Haag und arbeitet als Assistenzprofessorin für Ethik und Technologie an der Technischen Universität Delft.

Die Wissenschaftsjournalistin Caroline Ring hat mit van Wynsberghe darüber gesprochen, welche ethischen Aspekte es bei Entwicklung und Einsatz von Robotern zu beachten gilt.

Roboter als Bestandteil unseres täglichen Lebens klingt nach einer Zukunftsvision. Warum sollten wir uns heute bereits Gedanken über "Roboterethik" machen, also verantwortungsvolle Robotik?

Die meisten Menschen denken vermutlich, dass sie längst nicht täglich mit einem Roboter interagieren. Aber Roboter sind an vielen Dingen des alltäglichen Lebens beteiligt, beispielsweise in Logistikzentren, in denen sie sich um unsere Online-Bestellungen kümmern, oder als Roboter, die für die Montage in Fabriken zuständig sind. 

Inwiefern hängt Ethik mit der Entwicklung von Robotern zusammen?

Es sind nicht die Roboter, die unethisch handeln, sondern Menschen an der Spitze der Unternehmen, in denen die Roboter zum Einsatz kommen. Sie treffen unethische Entscheidungen. Zudem haben ethische Aspekte und Handlungsweisen durch Designer und Konstrukteure Einfluss auf die Entwicklung eines Roboters.

Wenn man zum Beispiel online einkauft, kommen die Waren aus einem Verteilzentrum, in dem höchstwahrscheinlich nur wenige Menschen arbeiten. In der Regel holen Roboter die Artikel, was menschliche Angestellte manchmal vor schwierige Situationen stellt. Sie müssen ihre Arbeitsweise so gestalten, dass sie der des Roboters angepasst ist. Geschichten über Amazon-Zentren berichten von Angestellten, die keine Zeit haben, eine Toilettenpause einzulegen, weil sie mit der Geschwindigkeit der Roboter mithalten müssen. Damit wir unsere Einkaufsgewohnheiten beibehalten können, passieren nachgelagert unethische Dinge, denen wir keine Beachtung schenken.

Gibt es ethische Aspekte, die jeden Bereich der Robotik betreffen?

Ja. Themen wie Nachhaltigkeit und Elektroschrott müssen zum Beispiel immer berücksichtigt werden: Was passiert mit Robotern, wenn wir sie nicht mehr verwenden? Werden sie recycelt und werden wieder Teil einer Kreislaufwirtschaft? Auch Energie für die Rechenleistung muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Allein das Training für einen Algorithmus einer künstlichen Intelligenz hinterlässt einen enorm großen CO2-Fußabdruck. 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Roboter immer eine Hardware darstellen. Daher muss man gewährleisten, dass sie sicher sind, wenn Menschen sich in ihrer Nähe aufhalten. Und wenn Roboter vertrauliche Daten sammeln, wird die Privatsphäre zu einem wesentlichen Thema. Beispielsweise wenn Sie Ihrem Roboter ein Geheimnis anvertrauen oder wenn sich Ihr Roboter zu Hause befindet und Gespräche mithören kann.

Aimee van Wynsberghe,

Aimee van Wynsberghe, Mitbegründerin der "Responsible Robotics Foundation"

Wie sind Sie zur Roboterethik gekommen?

Während meines Zellbiologie-Studiums arbeitete ich im Sommer als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei CSTAR, was für "Canadian Surgical Technology & Advanced Robotics" steht. Wir haben unter anderem Chirurginnen und Chirurgen darin geschult, wie sie das Da-Vinci-Operationssystem benutzen, ein roboter-assistiertes Chirurgiesystem. Dabei habe ich Krankenpflegekräfte und medizinisches Personal gefragt, wie sie die Nutzung des neuen Systems empfinden, da sie die Patientinnen und Patienten nun nicht mehr direkt berührten. Sie sahen nicht einmal mehr ihre Körper. Was bedeutete das für sie?

Ich beschloss, Ethik zu studieren und später wieder zur Zellbiologie zurückkehren. Aber sobald ich die Zellbiologie verlassen hatte, entdeckte ich meine Leidenschaft und mein Interesse daran, all die gesellschaftlichen und ethischen Fragen zu untersuchen, mit denen wir uns durch Roboter konfrontiert sehen. Nachdem ich mich mit Robotern im Gesundheitswesen beschäftigt hatte, insbesondere mit chirurgischen Robotern, untersuche ich jetzt auch den Einsatz von Drohnen im humanitären Kontext, Sexroboter, Roboter in der Landwirtschaft und solche in der Logistik.

Vor vier Jahren haben Sie sogar eine Stiftung für Roboterethik gegründet.

Ich erkannte, dass ethische Fragen in der Robotik eine wesentliche Rolle spielen. Es gab bereits so viele Roboterprodukte auf dem Markt, dass mir die akademische Forschung alleine nicht genug war. Ich wollte viel mehr bewirken. Also gründeten Noel Sharkey und ich eine Stiftung für verantwortungsvolle Robotik, die "Foundation for Responsible Robotics". Eine gemeinnützige Organisation, die darauf abzielt, die gesamte akademische Arbeit im Bereich der Roboteranwendungen nach außen zu tragen und so das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsträger dafür zu stärken.

Illustration kleiner Roboter auf menschlicher Hand

Warum haben Sie sich dagegen entschieden, dies aus einer Forschungsanstalt heraus zu untersuchen?

Auf diese Weise können wir viel effektiver Forschung aus der akademischen Welt herausbringen. Ziel der Stiftung ist es, der Öffentlichkeit auf realistische Weise zu zeigen, was im Bereich der Roboteranwendungen passiert, um zu verhindern, dass Menschen sich Roboter wie in Science-Fiction-Geschichten vorstellen.

Beispielsweise haben wir einen Bericht über Drohnen erstellt, in dem wir alle ihre verschiedenen Einsatzmöglichkeiten außerhalb der kommerziellen Aspekte aufgezeigt haben – wenn es zum Beispiel darum geht, nach einer Naturkatstrophe Medikamente in Gebiete zu bringen, die zu Fuß unerreichbar sind. Auf diesem Weg können wir mit der Öffentlichkeit über die positiven und die negativen Anwendungsgebiete dieser Technologie sprechen.

Sie schlagen auch ein Qualitätssiegel für Roboterprodukte vor.

Mit dem Qualitätssiegel-Projekt versuchen wir, die Lücke zwischen Theorie, also der akademischen Forschung, und industrieller Praxis zu schließen. Wir arbeiten mit Deloitte zusammen, um herauszufinden, wie man industrielle Prozesse so verändern kann, dass sie Nachhaltigkeit und Wohlbefinden gewährleisten. Mit Deloitte haben wir eines der vier führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen an unserer Seite, das sagt: Wir glauben ebenfalls an dieses Projekt und wir helfen euch, es zu realisieren. Die "Foundation for Responsible Robotics" ist eine kleine gemeinnützige Organisation, daher ist das eine große Sache für uns.

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Die Stiftung ist noch recht jung. Konnten Sie bereits Einfluss auf Entscheidungsfindungsprozesse nehmen?

Wir haben vor ein paar Jahren einen Bericht über Sexroboter angefertigt. Dieser Bericht sollte die Öffentlichkeit in die Diskussion über Regulierungen der bei Entwicklung von Sexrobotern einbeziehen. Wir bekamen Hunderttausende von Antworten auf diesen Bericht.

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Darüber hinaus haben wir uns zu kindlichen Versionen von Sexrobotern positioniert, indem wir gesagt haben, es ist unethisch, mit dieser Art von Robotern zu experimentieren. Wir haben im Europarat einen Vortrag gehalten, um dessen Bericht und Diskussion darüber anzuregen. Wir haben außerdem mit einem US-Senator zusammengearbeitet, der ein Gesetz namens "CREEPER Act" geschaffen hat, das den Besitz und die Verbreitung kindlicher Versionen von Sexrobotern verhindern soll.

Glauben Sie, dass die Roboterethik eines Tages fester Bestandteil bei der Entwicklung von Robotern sein wird?

Ich hoffe, dass die Fragen, die wir jetzt stellen, innerhalb den nächsten 10 bis 15 Jahre zu einem regulären Bestandteil des normalen Designprozesses werden. Dann wiederum wird es aber ganz andere ethische Fragen geben. Wenn zum Beispiel in den nächsten fünf bis zehn Jahren immer mehr Roboter eingesetzt werden, um Menschen bei Einsamkeit zu helfen, müssen wir uns zum Beispiel fragen, wie wir diese Person daran erinnern, dass es sich bei ihrem Gegenüber nur um einen Roboter handelt und nicht um einen Menschen. Wir sehen es als unsere Aufgabe als Stiftung an, als externe Partei zur Verfügung zu stehen und die Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, über die wir nachdenken sollten, während sich die Technologie weiterentwickelt.

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