Portrait eines Mannes
Interview

Nachhaltigkeit im Militärsektor: "Wir haben den Fokus auf Pioniervorhaben sehr ernst genommen"

#Transdisziplinarität

Wie können wir Nachhaltigkeit und Sicherheit vereinen? Bernd Sommer erforscht Zielkonflikte zwischen Klimaschutz und militärischen Interessen in seinem Forschungsprojekt "Greening Military?". Im Interview berichtet er von der Projektidee und seinen Erfahrungen mit der Antragstellung.

Prof. Dr. Bernd Sommer befasst sich an der Technischen Universität Dortmund und der dortigen Fakultät Sozialwissenschaften mit sozial-ökologischen Transformationsprozessen. Sein Projekt zu Umweltauswirkungen des Militärs wird seit diesem Jahr als "Pioniervorhaben zur Gesellschaftlichen Transformation" von der VolkswagenStiftung gefördert.

Herr Prof. Sommer, womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung über Nachhaltigkeit genau?

Bernd Sommer: Im Fokus meiner Forschung stehen die vielfältigen gesellschaftlichen Bemühungen, das Verhältnis zur Natur nachhaltiger zu gestalten. Unsere moderne Gesellschaft hat sich in Zusammenhang mit einem stetig steigenden Energiebedarf entwickelt, der lange Zeit nur aus fossilen Quellen gedeckt werden konnte. Dies bildete die Grundlage für ein insgesamt nicht-nachhaltiges Naturverhältnis.

Wie eine moderne und gleichzeitig nachhaltige Gesellschaft aussieht und ob dies überhaupt möglich ist, ist eine offene Frage. In den letzten Jahren ist die Zahl der Wissen­schaft­ler:innen größer geworden, die für spätmoderne Gegenwartsgesellschaften eine Transformation zur Nachhaltigkeit grundsätzlich für unmöglich erachten – ein beunruhigender Befund. Als Soziologe interessieren mich hierbei besonders gesellschaftliche Aspekte, etwa Konflikte, wie sie in der jüngeren Vergangenheit beim Thema Klimaschutz verstärkt zu erkennen sind. Ein ganz aktueller Zielkonflikt zeichnet sich etwa zwischen Verteidigungs- und Klimazielen ab.

Ich hatte schon länger den Eindruck, dass sich die Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung kaum für den Militärsektor interessiert.

Ihr Projekt "Greening Military?" wird von der VolkswagenStiftung gefördert und beschäftigt sich mit genau diesem Zielkonflikt – wie kam es zur Projektidee und Antragstellung?

Ich hatte schon länger den Eindruck, dass sich die Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung kaum für den Militärsektor interessiert, und umgekehrt die Militär- und Sicherheitsforschung Vorbehalte gegenüber dem Nachhaltigkeitsthema hat – das sind scheinbar zwei Welten, die kaum Berührungspunkte haben.

Mit einem mir bekannten Militärhistoriker hatte ich hin und wieder darüber nachgedacht, dazu einmal ein gemeinsames Projekt anzustoßen. Durch die von der Bundesregierung beschriebene "Zeitenwende", die sich zuspitzende geopolitische Lage und den daraus resultierenden deutlich erhöhten Stellenwert des Militärischen in unserer Gesellschaft ist das Thema dann ganz aktuell geworden. Die Pioniervorhaben-Ausschreibung der VolkswagenStiftung passte dazu, weil es zu dem Thema bisher tatsächlich kaum Forschung gibt und Interdisziplinarität zudem ein Kriterium für die Förderung ist.

In welchen Schritten erfolgte die Antragstellung und was haben Sie aus dem Prozess gelernt?

Das Verfahren war für mich neu: Wir wurden nach Begutachtung der Skizzen aufgefordert, ein kurzes Video einzureichen, um das Vorhaben darzustellen. Im Schreiben von Antragskizzen und Vollanträgen bin ich geübt, aber eine Videoproduktion ist noch mal eine andere Herausforderung. Ich habe mich zunächst über die strikten Zeitvorgaben geärgert, weil ich die Ideen und Stärken des Projektes so nicht genauer präsentieren konnte. Aber am Ende hat es auch Spaß gemacht, da mein Kooperationspartner Dr. Frank Reichherzer vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr gute Umsetzungsideen hatte, z. B. im Militärhistorischen Museum in Berlin-Gatow zu drehen.

Ich denke am Ende waren wir erfolgreich, weil wir den Fokus auf Pioniervorhaben sehr ernst genommen haben. Hätte ich ein Vorhaben eingereicht, das als Thema nicht wirklich neu ist – sagen wir, etwas zu Carsharing – einfach um die Gelegenheit zu nutzen, wäre es wahrscheinlich nichts geworden. Das kann man sich bei dieser Förderlinie auch gleich sparen. Übrigens fielen mir zum Schluss des Verfahrens noch Punkte auf, die ich zunächst vernachlässigt hatte, etwa ein Datenmanagementplan. Beim Fokus auf Inhalte sollte man die formalen Anforderungen nicht zu sehr aus dem Blick verlieren.

Dieses Interview ist auf der Website der Technischen Universität Dortmund erstveröffentlicht worden.  

Illustration mit zwei Personen, eine hält einen Bauplan, die andere überklebt eine Litfasssäule

Transdisziplinäre Forschung: Pioniere gesucht!

Das Forschungsprojekt von Prof. Bernd Sommer verfolgt durch die Kooperation mit dem Militär einen transdisziplinären Ansatz. Die  Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen und nicht-wissenschaftlichen Partner:innen zu stärken, war ein Ziel der inzwischen beendeten Förderinitiative "Pioniervorhaben". Bei dem Nachfolgeprogramm "Change! Fellowships and Research Groups" ist eine transdisziplinäre Herangehensweise sogar Voraussetzung.  Damit unterstützen wir Wissenschaftler:innen, die zu Transformationsprozessen forschen und mithilfe ihres Netzwerks das Wissen auch in die Praxis bringen.

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