Eckart von Hirschhausen über globale Gesundheit, Wissenschaftskommunikation und Stiftungsarbeit – und warum wir nicht das Klima retten müssen, sondern uns.
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Was die Klimakrise für uns Menschen wirklich bedeutet

Gastbeitrag von Eckart von Hirschhausen

Eckart von Hirschhausen über globale Gesundheit, Wissenschaftskommunikation und Stiftungsarbeit – und warum wir nicht das Klima retten müssen, sondern uns.

Hand aufs Herz – haben Sie verstanden, wie die Corona-App funktioniert? Da werden Millionen in die Entwicklung gesteckt, aber die Kommunikation drum herum lässt jede Menge Fragen offen. Stattdessen "wissen" viele in Deutschland, dass Corona harmlos ist, die Impfung unfruchtbar macht und dahinter eh eine große Verschwörung steckt: Wir erleben gerade sehr wirre und herausfordernde Zeiten.

Das Magazin Impulse - Gastbeitrag

Der Beitrag erschien als Gastkolumne in unserem Magazin Impulse (Ausgabe 2021, Titel "Nur nicht aufhalten lassen!"). 

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Dazu möchte ich gern einige meiner Gedanken als Arzt, Wissenschaftsjournalist und Stiftungsgründer mit Ihnen teilen. Ich konzentriere mich auf drei Aspekte: Wissenschaftskommunikation, die Lehren aus Corona und die wichtigste Aufgabe im 21. Jahrhundert: zu verhindern, dass es das letzte gute Jahrhundert von uns Menschen wird. Denn wir müssen nicht "das Klima" retten. Sondern uns.

Der Mediziner und Wissenschaftsjournalist Dr. Eckart von Hirschhausen engagiert sich seit 2018 auch für Klimapolitik.

Der Mediziner und Wissenschaftsjournalist Dr. Eckart von Hirschhausen engagiert sich seit 2018 auch für Klimapolitik.

  1. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Wir haben nicht nur eine Pandemie sondern auch eine Infodemie, einen gefährlichen Verlust an Deutungshoheit und Vertrauen von Politik, Wissenschaft und Medien. Es wäre sehr leicht, sich jetzt über die obskuren Theorien der Leugner zu erheben, aber viel spannender finde ich die Frage: Warum sind sie erfolgreich und was hilft dagegen?

    Im Kampf gegen Falschinformationen ist Geschwindigkeit ein Schlüssel. Eine verzögerte Reaktion wirkt in der Schnelllebigkeit der Aufmerksamkeitsgesellschaft wie eine Bestätigung. Wir brauchen eine "zentrale schnelle Einsatztruppe", die Trends im Netz frühzeitig erkennt und innerhalb von wenigen Stunden Fehlinformationen benennt, widerlegt und zwar auf Augenhöhe, d.h. auf den selben Plattformen, mit Bewegtbildern, guter Grafik und bekannten Sprecherstimmen.

    Zudem müssen mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für intensive Talkshow-Situationen besser geschult werden, um dort sprachfähig zu sein. Wissen und Informationen sind im Überfluss vorhanden. Das "Defizit-Modell" ist längst widerlegt, es ist Aberglaube daran festzuhalten, dass wir nur immer weiter forschen und veröffentlichen müssen und dann wird irgendwann die Welt vernünftig. Das Überleben der Menschheit ist so massiv gefährdet wie noch nie. Die nächsten 10 Jahre entscheiden darüber, wie es die nächsten 10.000 Jahre mit der Überhitzung der Erde, der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, unfassbaren Verlusten der Artenvielfalt und Biotope und mit lauter neuen Pandemien weitergehen wird. Diese klaren Fakten müssen in den öffentlichen Medien noch deutlicher werden.
     

  2. Corona fiel nicht vom Himmel. Wir sind nicht die Opfer eines fiesen Virus. Die Corona-Pandemie ist der Preis, den wir für den Wildtierhandel, die gnadenlose Vernichtung von Lebensräumen und die Globalisierung zahlen. Ein Virus braucht kein Visum, um eine Grenze zu überschreiten, so wenig wie ein C02 Molekül in der Atmosphäre. Die Pandemie, das Artensterben und die Klimakrise hängen eng zusammen und können nur gemeinsam verstanden und gelöst werden. Deshalb habe ich auch die Stiftung "Gesunde Erde-Gesunde Menschen" gegründet, um  den direkten Zusammenhang von planetarer und menschlicher Gesundheit klar zu machen und mit neuen Narrativen den Fokus auf das positive Zukunftsbild zu legen.

    In Deutschland gibt es über 20.000 Stiftungen und die sind bei diesem Vorhaben das "venture capital" der Zivilgesellschaft, unter anderem weil sie durch häufig große Vermögen, "vermögen" etwas zu bewegen. Wie Stiftungen zu den Lösungen beitragen können, hat zum Beispiel Active Philantropy in einem Leitfaden und verschiedenen Online-Dialogreihen ausgearbeitet.
     

  3. Als bei den verheerenden Waldbränden in Australien der kohleverliebte Premierminister einem Feuerwehrmann gratulieren wollte, verweigerte dieser ihm den Handschlag mit dem großartigen Satz: "Sie werden am Ende eines Feuerwehrschlauches keine Klimaleugner finden". Das saß. Eine GFK Studie zeigt, Feuerwehrleute, Sanitäter, Krankenschwestern sind in der Öffentlichkeit viel glaubwürdiger als alle Politiker, Journalisten und Manager zusammen.

    Weil über die Akzeptanz einer Botschaft weniger ihr Inhalt entscheidet als ihr Überbringer, braucht die Szene neue Botschafter: Menschen an der Basis, die schon jetzt mit den Folgen der Pandemie und der Klimakrise zu tun haben. Mit Gesunde Erde – Gesunde Menschen, möchten wir dazu beitragen, diese Menschen sprachfähig zu machen. Denn der Körper ist ein guter Lehrmeister, uns zu zeigen, wie schnell wir bei einer steigenden Außentemperatur buchstäblich zusammenbrechen. Hitzewellen und Hitzetote sind aber nur eine der vielen Auswirkungen. Mücken, die Tropenkrankheiten übertragen, können sich wieder ansiedeln, Allergien nehmen zu, und die Abgase und insbesondere die kleinen Feinstaubteilchen gehen durch die Lunge direkt ins Blut und tragen zu Herzinfarkt, Schlaganfall und sogar zu Diabetes bei.
     

Der Klimawandel stellt unseren Zusammenhalt vor große Herausforderungen. Deswegen brauchen wir jetzt einen gesellschaftlichen Wandel, und für mich bringt dieser in erster Linie Chancen mit sich, vor allem, wenn ich mir die positiven Nebenwirkungen anschaue: Die Energiewende lässt uns wieder saubere Luft einatmen, mehr Bewegung durch Radfahren stärkt unser Herz-Kreislaufsystem, grünere Städte stärken unser seelisches Gleichgewicht. Positive Zukunftsbilder helfen uns, um aus der Klimakrise einen Neuanfang zu machen. 2021 ist ein entscheidendes Jahr. Und irgendwann werden wir von Kindern und Enkeln gefragt: Ihr habt alles gewusst, ihr wart in einem freien, reichen und kreativen Land – was war euch wichtig? Wart ihr Teil des Problems oder Teil der Lösung? Ich wünsche uns allen, dass wir dann gute Antworten haben.

Der Mediziner und Wissenschaftsjournalist Dr. Eckart von Hirschhausen engagiert sich seit 2018 auch für Klimapolitik.

Dr. Eckart von Hirschhausen

Dr. Eckart von Hirschhausen ist einer breiten Öffentlichkeit als Sachbuchautor und Moderator unterhaltsamer Wissensshows zu einer Vielfalt von Themen bekannt. Der Mediziner und Wissenschaftsjournalist engagiert sich seit 2018 auch für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik. Er ist Mitbegründer von "Scientists for Future" und gründete 2020 seine zweite Stiftung: "Gesunde Erde – Gesunde Menschen".