Thema Tierversuche – Stellungnahme
#TierversucheWarum fördert die VolkswagenStiftung auch Forschungsprojekte mit Tierversuchen? Eine Stellungnahme.
Tierversuche sind in einigen Teilen biomedizinischer Forschung weiterhin nicht durch Alternativmethoden zu ersetzen. Geleitet durch das 3R-Prinzip (Replace – Reduce - Refine) gab es einerseits in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte bei der Entwicklung von Labormethoden und -modellen, in denen Zellen und Gewebe anstelle des gesamten Organismus eingesetzt werden. Sogenannte Organoide und Organ-on-a-Chip-Systeme haben den Vorteil, dass hier menschliche Zellen zum Einsatz kommen – sodass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die menschliche Gesundheit naheliegender ist, als bei der Verwendung von Tiermodellen.
Für bestimmte Forschungsfragen sind Tierversuche unverzichtbar
Für die ethische Abwägung zwischen Tierversuch und Alternativmethode ist aber auch wichtig zu berücksichtigen, dass viele der Organoid- und Organ-on-a-chip-Systeme tierbasierte Materialien benötigen. Sie sind in der Regel also nicht tierfrei, sondern auch hierfür mussten oft Tiere leiden und sterben. Andererseits sind diese Systeme immer nur Puzzleteile des Gesamtorganismus. Das Zusammenspiel von Immun-, Nerven-, und Hormonsystem sowie von Faktoren wie Mikrobiom und soziales Umfeld eines gesamten Organismus sind so komplex, dass sie auch durch Verschaltung mehrerer Organsysteme im Labor noch nicht hinreichend nachgestellt werden können. Fragestellungen dieser Ebene können zurzeit nur in Versuchstieren untersucht werden. Die VolkswagenStiftung fördert daher auch Projekte, in denen Tierversuche durchgeführt werden.
Tierversuch als letztes Mittel
Tierversuche tragen in der Biomedizin wesentlich zur Erforschung der menschlichen Gesundheit bei und sind zum Beispiel auch bei der Untersuchung von tierischer Gesundheit, ihrem Verhalten und der Interaktionen in ihrem Ökosystem unverzichtbar. Kurz gesagt: Wenn man Tiere (einschließlich des Menschen) erforschen möchte, sind Versuche mit lebenden Organismen sehr wichtig. Am Anfang steht dabei immer die Fragestellung: Was genau soll erforscht werden, und mit welcher Methode kann diese Frage am besten beantwortet werden? In der Regel braucht man viele verschiedene Methoden, um eine Forschungsfrage umfassend zu beantworten. Wenn ein Tierversuch benötigt wird, steht dieser am Ende einer Kette von sehr vielen anderen Versuchen, die ohne Tiere auskommen – der Tierversuch ist immer nur das letzte Mittel und wird sehr sorgfältig vorbereitet.
Alternativmethoden zu Tierversuchen
Die VolkswagenStiftung fördert auch Alternativmethoden zu Tierversuchen, zum Beispiel in den Initiativen Experiment!, Freigeist-Fellowships und Innovative Ansätze der antiviralen Wirkstoffentwicklung. Diese werden zwar nicht ausgewählt, weil sie einen Tierversuch ersetzen, und sind dementsprechend nicht als "Alternativen" gekennzeichnet. Sie sind aber Bestandteil des ganz normalen Forschungsprozesses und werden häufig ergänzend zum Tierversuch eingesetzt. Sobald also eine Alternativmethode im Rahmen eines geförderten Projekts entwickelt oder angewendet werden soll, wird diese ebenso gefördert wie in anderen Fällen der Tierversuch.
Qualitätsprüfung und Genehmigung in mehreren Schritten
Die wissenschaftliche Qualität der Projekte mit Tierversuchen wird im Rahmen der wissenschaftlichen Begutachtung geprüft. Die VolkswagenStiftung fördert nur Vorhaben, die in einem Begutachtungsprozess durch Expertinnen und Experten des jeweiligen Fachgebiets als förderwürdig bewertet wurden. Bei dieser Qualitätsprüfung bewerten die Expert:innen, ob die im Antrag beschriebene Forschungsfrage für das Fachgebiet relevant ist und ob die vorgeschlagenen Methoden zur Beantwortung der Frage geeignet sind. Dadurch wird sichergestellt, dass Experimente mit Tieren nur dann gefördert werden, wenn sie im Kontext der jeweiligen Fragestellung sinnvoll und erforderlich sind.
Die Genehmigung der Tierversuche wird durch die zuständigen Behörden erteilt. Unabhängig von der Förderung durch die VolkswagenStiftung und des Begutachtungsprozesses muss jeder Tierversuch durch die Forschenden in Deutschland bei der zuständigen lokalen Behörde beantragt und genehmigt werden. Die Stiftung ist an diesem komplizierten und umfangreichen Prozess nicht beteiligt, verlangt aber in Zweifelsfällen die Vorlage einer ethischen Stellungnahme.
Über Tierversuche sollte transparent berichtet werden
Tierversuche werden durch Tierschutzorganisationen zurecht kritisch hinterfragt. Deshalb ist es wichtig, dass Forschungseinrichtungen und Forschungsförderer transparent darlegen, warum Tierversuche für die Forschung nach wie vor unverzichtbar sind und unter welchen Bedingungen Tierversuche durchgeführt werden. Eine ehrliche Diskussion über Tiernutzung in der Forschung und beispielsweise ein Vergleich mit der Tiernutzung in der Nahrungsmittelproduktion ist nur möglich, wenn alle Beteiligten wissen, was ein Tierversuch ist, wie stark oder wenig die Tiere dabei leiden und wie die Entscheidung, dass ein Tierversuch nötig ist, getroffen wird. Die VolkswagenStiftung ist deshalb Teil der Initiative Transparente Tierversuche und setzt sich für eine offene und proaktive Information über Tierversuche in der Wissenschaft ein. Im Rahmen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen förderte die VolkswagenStiftung auch die Einrichtung Tierversuche-verstehen.de, die hierzu umfassendes Informationsmaterial zur Verfügung stellt.