Studie zur Prävention von Kindesmissbrauch erschienen

Ein Forscherteam der Charité hat eine Studie veröffentlicht, die analysiert, ob freiwillige und unter Schweigepflicht stattfindende Therapieangebote für Pädophile und Hebephile sexuelle Übergriffe auf Kinder verhindern.

Im Jahr 2005 hat Prof. Dr. Klaus Beier, Direktor des Instituts für Sexualmedizin an der Berliner Charité, mit Unterstützung der VolkswagenStiftung das "Präventionsprojekt Dunkelfeld" ins Leben gerufen. Dieses hatte sich zum Ziel gesetzt, sexuellen Missbrauch an Kindern zu verhindern, indem es Therapien für pädo- und hebephile Menschen bereitstellt und erforscht. Die zusätzlich begleitende wissenschaftliche Untersuchung der Therapieangebote sollte dazu dienen, deren Wirksamkeit zu ergründen und zu verbessern. Das Forschungsteam um Prof. Dr. Klaus Beier hat nun einen ersten Teil der Evaluation des Therapieangebots des Netzwerks "Kein Täter werden" in der Studie "The German Dunkelfeld Projekt: A Pilot Study to Prevent Child Sexual Abuse and the Use of Child Abusive Images" abgeschlossen und seine Ergebnisse im "Journal of Sexual Medicine" veröffentlicht.

Das Präventionsangebot "Kein Täter werden"

Das Opferpräventionsprogramm "Kein Täter werden" richtet sich an pädo- und hebephile Menschen, die sich von Kindern mit einem vorpubertären oder beginnendem pubertärem Körper angezogen fühlen, ihre Neigungen jedoch nicht ausleben möchten. Im Gegensatz zu bestehenden Therapieangeboten für bereits straffällig gewordene Männer richtet sich das Programm erstmalig an Teilnehmer aus dem Dunkelfeld, also Personen, die zuvor nicht straffällig wurden, trotz einer Straftat der Justiz nicht bekannt waren oder eine frühere Verurteilung bereits vollständig verbüßt haben. Die Betroffenen konnten sich freiwillig zur kostenlosen und durch die Schweigepflicht geschützten Therapie anmelden. Pädophile Neigungen können durch eine Therapie nicht aufgelöst, aber wirksam behandelt werden. Daher sollten die Einzel- und Gruppentherapien die Betroffenen in die Lage versetzen, ihr Verhalten selbständig kontrollieren zu können und Risikosituationen, die einen sexuellen Missbrauch begünstigen können, zu vermeiden.

Begleitende Forschung "Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld"

Auf Basis der in den Jahren 2005 bis 2011 erhobenen Daten zogen die Forscher in ihrem Beitrag für das "Journal of Sexual Medicine" Bilanz, inwiefern die Therapien die Ziele erreichen konnten. Dabei vergleicht die Studie eigene Angaben zweier Gruppen von Teilnehmern, die diese vor dem Beginn und nach dem Ende der Therapie gemacht hatten: einer Gruppe von 53 Teilnehmern, die das Therapieprogramm beenden konnten, und einer Kontrollgruppe von 22 Personen, die sich auf der Warteliste befanden und keine therapeutische Begleitung in Anspruch nehmen konnten. Die Wissenschaftler stellten fest, dass über die Hälfte der Teilnehmer zuvor bereits im Dunkelfeld übergriffig geworden war und zwei Drittel zuvor bereits Missbrauchsabbildungen, also kinderpornografisches Material, genutzt hatten. Anhand eines Vergleichs der Selbstauskünfte nach der Therapie ließen sich positive Veränderungen bei der therapierten Gruppe feststellen, u.a. - in Bezug auf emotionale Defizite:
Beispielsweise hatten Wahrnehmungsverzerrungen bei der therapierten Gruppe ab-, Empathie zugenommen und die Fähigkeit zur Selbstkontrolle war im Gegensatz zur nicht therapierten Gruppe gewachsen. - in Bezug auf sexuelle Übergriffe:
Keiner der 28 behandelten Männer, die vor der Therapie noch nie sexuellen Kindesmissbrauch begangen hatten, wurde übergriffig; 5 von 25 Missbrauchstätern berichteten im Nachhinein von einem Rückfall, der – im Vergleich zur nicht therapierten Kontrollgruppe – jedoch seltener auftrat; 20 von 25 Männern, die zuvor Kindesmissbrauch begangen hatten, wurden nicht rückfällig. - in Bezug auf die Nutzung von kinderpornografischem Material:
Deutlich höher war die Rückfallquote bei Männern, die Missbrauchsabbildungen genutzt hatten: 29 von 32 Männern, die zuvor kinderpornografisches Material genutzt hatten, verwendeten dieses weiterhin. Allerdings reduzierten sie insgesamt die Schwere und Häufigkeit des Konsums. Weitere Ergebnisse der Studie finden Sie hier: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jsm.12785/abstract. Die positiven Entwicklungen basieren zwar auf Eigenangaben der Patienten, dennoch lassen sich aufgrund der Annahme, dass diese ebenso wie die Teilnahme freiwillig erfolgten, positive Entwicklungen in Hinblick auf die Prävention sexueller Übergriffe schlussfolgern.

Therapieangebote an zehn Standorten

Das Therapieangebot wurde bereits – neben der Berliner Charité – an neun weiteren Standorten in Deutschland institutionell verankert: in Kiel (seit 2009), Regensburg (seit 2010), Leipzig (seit 2011), Hannover und Hamburg (seit 2012), Stralsund und Gießen (seit 2013) sowie in Düsseldorf und Ulm (seit 2014). Aufgrund der starken Nachfrage durch Patienten und der nachgewiesenen positiven Effekte plant das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" in Zukunft mindestens eine Anlaufstelle pro Bundesland zu schaffen. Weitere Informationen über das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" sowie alle Kontaktdaten der Standorte des Projekts in Deutschland finden Sie unter www.kein-taeter-werden.de. Das Forschungsprojekt "Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld" an der Charité - Universitätsmedizin Berlin wurde durch die Förderinitiative "Offen für Außergewöhnliches" von der VolkswagenStiftung mit rund 700.000 Euro unterstützt.

Beier, K. M., Grundmann, D., Kuhle, L. F., Scherner, G., Konrad, A., Amelung, T. (2014): The German Dunkelfeld Project: A Pilot Study to Prevent Child Sexual Abuse and the Use of Child Abusive Images. Journal of Sexual Medicine. Article first published online.

Plakatmotiv zur Medienkampagne "Präventionsprojekt Dunkelfeld" (Motiv: www.kein-taeter-werden.de).