Stiftungsvermögen nachhaltig anlegen
Wenn es darum geht, ihr Vermögen von derzeit 3,7 Mrd. Euro anzulegen, damit der Förderzweck dauerhaft erfüllt werden kann, orientiert sich die unabhängige VolkswagenStiftung in Hannover auch an Nachhaltigkeitskriterien.
Vor Jahren schon haben Dieter Lehmann und sein Team begonnen, bei Entscheidungen für neue Investments Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Lehmann leitet die Vermögensverwaltung von Deutschlands größter privater Wissenschaftsförderin, die, was die wenigsten wissen, eben keine Unternehmensstiftung ist. Aktuell verfügt sie über ein disponibles Vermögen von 3,7 Mrd. Euro – zuzüglich der Ansprüche auf Dividenden aus ca. 30 Mio. Aktien der Volkswagen AG, die dem Land Niedersachsen gehören.
Um den Nachhaltigkeitsgrad eines Investments anzuzeigen, verwendet die Vermögensverwaltung eine Ampelskala, wie sie im Risikocontrolling verbreitet ist. Zusätzlich zur Rot-Gelb-Grün-Palette zeigt eine Prozentzahl an, ob und bis zu welchem Grad Nachhaltigkeitskriterien von einer Unternehmensführung oder einem Fondsmanagement eingehalten werden. Also inwiefern man sich an ökologischen, sozialen und ethischen Grundsätzen orientiert.
Wie viel Nachhaltigkeit steckt in einem Investment?
Um den Nachhaltigkeitsgrad zu ermitteln, bedarf es einer aufwändigen Prüfung. Dazu wird an jedes Investment eine Checkliste mit einer Fülle verschiedenster Nachhaltigkeitskriterien angelegt. Bei Staatsanleihen beispielsweise ist zu klären, ob eine Regierung ihre Macht demokratisch oder autoritär ausübt. Werden internationale Umweltvereinbarungen umgesetzt oder nicht? Wie hoch ist der Rüstungsanteil am Bruttoinlandsprodukt, also der Gesamtzahl aller Güter, die innerhalb eines Jahres in einer Volkswirtschaft hergestellt werden? Wie fördert der Staat Bildung, Demokratie, und das Gesundheitswesen? Wie steht es um die Pressefreiheit?
Bei der Auswahl der hausintern verwalteten Aktien dient ein sogenannter Nachhaltigkeitsindex als Orientierung. Das heißt, dass nur in Unternehmen investiert wird, die im Index gelistet sind, weil sie vom Indexmanagement als besonders nachhaltig wirtschaftend eingestuft wurden. In der Praxis kann es allerdings geschehen, dass die Bewertungen der Analysten mit den Einschätzungen der Vermögensverwalter in der Stiftung nicht übereinstimmen. "In solchen seltenen Einzelfällen", sagt Dieter Lehmann, "nehmen wir uns dann auch die Freiheit, nicht alle indizierten Unternehmen in unseren Bestand aufzunehmen."
Es gibt keine reine Lehre
Überhaupt rät Lehmann anderen Investoren zwar dazu, den Ansatz des nachhaltigen Investierens engagiert voranzutreiben, dabei aber "nicht zu verkrampfen". Für ihn gibt es keine reine Lehre nachhaltigen Investierens, kein Patentrezept: "Die globalisierte Wirtschaft wird immer verflochtener und schwerer durchschaubar. Es ist praktisch unmöglich geworden, hundertprozentig auszuschließen, dass nicht irgendwo im Produktionsprozess eines weltweit agierenden Konzerns Dinge geschehen, die mit unseren ethischen, moralischen und ökologischen Wertvorstellungen nicht übereinstimmen."
Bisweilen also muss man trotz des guten Vorsatzes Kompromisse eingehen. Im Bereich der Stiftung trifft das auch für den Immobilienbereich zu. Hier gibt es im Portfolio Gebäude verschiedener Baualtersklassen. Diese Bestandsbauten entsprechen nicht einem heutigen "Green Building"-Standard. Bei Modernisierungen hat die Stiftung aber ein Augenmerk darauf, dass der Energieverbrauch durch umweltfreundliche energetische Konzepte verbessert wird. Solche Maßnahmen dürften aber nicht die Rendite aufzehren.
Die Globalisierung erschwert den Durchblick
"Die Wirtschaftlichkeit darf auch beim nachhaltigen Investieren nicht außer Acht gelassen werden", sagt Lehmann. "Das ist keine persönliche Ermessensfrage, sondern als eindeutiger Auftrag vorgegeben. Das Stiftungsvermögen ist so anzulegen und zu vermehren, dass der Stiftungszweck dauerhaft erfüllt werden kann, also die Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre."
Das Festhalten am Ziel nachhaltigen Investierens, das engagierte Entwickeln eigener Prinzipien, Kriterienkataloge und Analyse-Tools, all dies sieht Lehmann als Beitrag der Stiftung, um Nachhaltigkeitskriterien im Investmentbereich eine stärkere Beachtung zu verschaffen. "Wenn sich dabei viele Investoren zusammen tun, erhöht das den Druck auf die Unternehmen, nachhaltiger zu agieren."
Und dann hätte die Stiftung auch in der Vermögensanlage eine Rolle eingenommen, die sie in der Wissenschaftslandschaft schon lange innehat: mit guten Beispielen für positive Veränderung sorgen. Und zwar nachhaltig.