PREMIER – ein Modell für mehr Forschungsqualität

Fehlende Daten, unvollständige Protokolle, unklare Forschungsdesigns: Viele präklinische Studien in der Biomedizin sind nicht belastbar. Ein Team um den Charité-Forscher Prof. Dr. Ulrich Dirnagl setzt sich für mehr Forschungsqualität ein – und entwickelte PREMIER.

PREMIER – der Name ist ein Akronym und er ist Programm: "Predictiveness and Robustness through Modular Improvement of Experimental Research". PREMIER soll die biomedizinische Forschung besser machen. Das verheißen viele Qualitätsmanagementsysteme. Doch anders als diese ist PREMIER originär von Forschenden für Forschende entwickelt worden. Ulrich Dirnagl hat das System an der Charité-Abteilung für Experimentelle Neurologie konzipiert und erprobt. Nach dem proof of concept wollen die Berliner die Tragfähigkeit von PREMIER nun in andere Labore bringen. 

PREMIER besteht aus vier Modulen, die je eine Kerndimension wissenschaftlichen Qualitätsmanagements beschreiben. Leidet ein Labor unter Schwächen in der Studienplanung oder im Reporting, so bietet PREMIER genau dafür ein Modul. Es gibt aber auch Lösungen für die Governance oder das Fehlermanagement. Welche Module Labore nutzen, hängt vom jeweiligen Bedarf ab. Und der wird in einem Assessment herausgefunden. Je nach Größe des Labors kann solch eine Ermittlung bis zu einen Tag in Anspruch nehmen.

Rund drei Jahre arbeitete Dirnagls Team an PREMIER. Es ist mit 600.000 Euro von der VolkswagenStiftung im Rahmen ihrer Initiative "Hochschule der Zukunft" gefördert worden, und es ist ein Unikat. In Yale, Harvard, Princeton – nirgends fanden die Charité-Forscher ein praktikables Modell. Die Leerstelle kommt nicht von ungefähr: Ruhm und Ehre gibt es in der Wissenschaft für Fortschritte in der Forschung, nicht im Qualitätsmanagement. "Solch ein System zu entwickeln, ist in hohem Maße altruistisch", erklärt Dr. Oliver Grewe, Förderreferent bei der Stiftung. Ulrich Dirnagl formuliert es so: "Wir sind der Schneepflug. Wir ebnen den Weg. Wer uns folgt, hat es leichter." 

PREMIER ist ein Akronym für "Predictiveness and Robustness through Modular Improvement of Experimental Research".

Arbeit macht Qualitätsmanagement natürlich auch bei PREMIER. Nur erkennen Forschende in dem System offenbar dessen Wert. Sie erleben Qualitätsmanagement als Schutz gegen Forschungsfehler und als Geländer auf dem Weg zu verlässlichen Forschungsergebnissen – und nicht nur als Last. Um diese Akzeptanz zu erreichen, braucht es eine kollegiale Feedback-Kultur. "Wir vergeben keine Noten, wir helfen einander, besser zu werden", erklärt PREMIER-Koordinatorin Claudia Kurreck. Ihr Job ist es, den Geist von PREMIER am Leben zu halten und weiter zu entwickeln. Sie ist denn auch diejenige, die die anstehenden Assessments für fünf bis sechs Testlabore organisiert. 

Drei Partner-Labore sind bereits gefunden: ein weiteres Charité-Labor, ein MPI-Labor in Leipzig und eines am Berliner Max Delbrück Zentrum. Weitere interessierte Labore können sich einen Überblick auf der PREMIER Webseite verschaffen, die in diesen Tagen online ging. Weitergehen soll es mit PREMIER auch nach dem Ende der Finanzierung durch die VolkswagenStiftung. Ein DFG-Antrag ist in Arbeit. Das Ziel: PREMIER in möglichst alle Forschungslabore zu bringen und in deren Alltag zu integrieren. 

An der Experimentellen Neurologie ist PREMIER bereits Routine, auch beim Onboarding. Neulinge erfahren, welche Schritte beim Forschungsdesign einzuhalten sind, wie Laborbücher geführt und Daten aufbereitet werden müssen. Dafür gibt es Leitfäden und Trainings. "Kleinere Labore werden sicher keine Vollzeitstelle brauchen, um ihre Forschenden in der modularen Qualitätssicherung zu unterstützen", meint Kurreck. Vor allem nicht zum Einstieg.

Autorin: Christine Prußky

Ein kurzes Video auf der Internetseite von PREMIER erklärt anschaulich, wie das Tool funktioniert. (Screenshot: https://premier-qms.org)