Nachweis für Raubdinosaurier in Niedersachsen gefunden
Die Analyse fossiler Zähne beweist: Im Harz waren eine ganze Reihe verschiedener Raubsaurier-Arten beheimatet.
Im heutigen Harz lebte vor etwa 150 Millionen Jahren eine mit sechs Metern Länge besonders kleine Art der ansonsten oft riesigen Langhals-Dinosaurier. Das im Langenberg-Steinbruch bei Goslar gefundene Fossil des "Europasaurus" ist eines der vollständigsten seiner Art in ganz Europa.
So spektakulär dieser Fund war, so wenig vermochte man über die Lebenswelt des kleinen Sauriers herauszufinden. Der Grund dafür lag in der Topographie Norddeutschlands während der Jurazeit: Der überwiegende Teil war von einem warmen Meer bedeckt. In den Gesteinsschichten dieser Zeit finden sich daher viele Abdrücke von Korallen, Muscheln und Schnecken, jedoch kaum Spuren von Dinosauriern. Nur äußerst selten gelangten isolierte Dinosaurierknochen oder -zähne von den umliegenden Inseln in diesen Ablagerungsraum.
Vielzahl der Raubsaurierarten überrascht
Nun untersuchten Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Oliver Wings 80 teilweise mikroskopisch kleine Zähne mit statistischen Methoden. Sie konnten nachweisen, dass damals eine Vielzahl von gefährlichen Raubdinosauriern (Theropoden) auch den Norden Deutschlands unsicher machte. "Wir waren überrascht über die Mannigfaltigkeit der Raubsauriergruppen", sagt Oliver Gerke, der die Zähne in den letzten drei Jahren wissenschaftlich bearbeitet hat. Zu den mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesenen Gruppen zählen frühe Tyrannosaurier, Verwandte des Allosaurus, Megalosaurier wie Torvosaurus und Ceratosaurier. Weitere Zähne weisen sogar Ähnlichkeiten zu anderen großen Theropoden wie Carcharodontosauriern und Abelisauriern auf, lassen sich aber aufgrund der Seltenheit des Zahnmaterials aus diesem Zeitfenster der Erdgeschichte nicht eindeutig zuordnen.
Das Vorhaben "Das Europasaurus-Projekt: Die oberjurassische Inselfauna von Oker, Niedersachsen" läuft seit 2012 am Landesmuseum Hannover in Zusammenarbeit mit dem Dinosaurier-Park Münchehagen und dem Steinmann-Institut der Universität Bonn. Die VolkswagenStiftung fördert es in ihrer Initiative "Forschung in Museen".
Die untersuchten Zähne stammen aus naturkundlichen Museen in ganz Deutschland. Sie wurden im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte in diversen Steinbrüchen gefunden, von denen viele nicht mehr zugänglich sind, wie der inzwischen komplett überbaute Lindener Berg in Hannover. Die besterhaltenen Zähne wurden in einem Micro-Computertomographen am Steinmann-Institut der Universität Bonn gescannt und die Bilder in digitale dreidimensionale Modelle umgewandelt. Die Ergebnisse ihrer aktuellen Untersuchung publizierten Wings und Gerke in der Fachzeitschrift PLOS ONE mit freiem Zugang http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0158334.
Erkenntnisse lassen weitere Rückschlüsse zu
Da die Zusammensetzung der norddeutschen Raubdinosaurier-Fauna mit anderen zeitgleich entstandenen Fundstellen Ähnlichkeit hat, können die Wissenschaftler auch Rückschlüsse auf die Wanderungsbewegungen der Raubtiere ziehen: "Wahrscheinlich gab es trotz der im Jura weit verbreiteten Meere temporäre Landbrücken zwischen Deutschland, Portugal und Nordamerika", so Dr. Oliver Wings. Frühere Untersuchungen der Wissenschaftler an 150 Millionen Jahre alten Dinosaurier-Fußspuren ließen bereits die Schlussfolgerung zu, dass große Raubsaurier in den Lebensraum des zwergenhaften Europasaurus eingedrungen sind: Ein gesunkener Meeresspiegel könnte den Räubern den Weg zu der vormals auf einer Insel geschützt lebenden kleineren Gattung freigegeben haben.
Link zur Publikation
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0158334