Mit vereinten Kräften: Zwei Freigeist-Teams erforschen Nanoteilchen

Die Zusammenarbeit der Freigeist-Fellows Annika Bande und Tristan Petit am Helmholtz-Zentrum Berlin gewährt neue Einblicke, wie Oberflächenstruktur und Eigenschaften von Nano-Kohlenstoff-Verbindungen zusammenhängen. 

Nano-Kohlenstoff-Verbindungen sind winzige Partikel aus Kohlenstoff oder auch Kohlenstoffoxid. Sie sind extrem attraktiv für verschiedene Anwendungsfelder, denn die Teilchen sind besonders klein, nur zwischen einem und 100 Nanometer* groß, haben aber eine große relative Oberfläche. Zudem sind sie aufgrund ihrer Zusammensetzung geeignet, um daraus potenziell umweltverträgliche Materialien herzustellen. Sie werden beispielsweise genutzt, um menschliche Zellen mit Fluoreszenzverfahren sichtbar zu machen. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler freuen sich über die aktuellen Publikationen (v.l.n.r.): Tristan Petit, Annika Bande, Fabian Weber, Jian Ren. (Foto: privat)

Der Freigeist-Fellow Tristan Petit, der mit seinem Team seit 2015 am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) die Eigenschaften und Reaktionen von kohlenstoff-basierten Nanopartikeln erforscht, setzt die Nanoteilchen für Photokatalyse zur Wasserspaltung ein. Ebenfalls am HZB erforscht Freigeist-Fellow Annika Bande mit computergestützten Methoden die Bewegungsmuster von Elektronen in Nanopartikeln. Die beiden lernten sich kennen, als Bande an das Forschungszentrum wechselte und ein Kollege sie auf den "angehenden" Freigeist Petit aufmerksam machte.

Dr. Willhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, übergibt Dr. Tristan Petit seine Freigeist-Urkunde. (Foto: Sven Stolzenwald für VolkswagenStiftung)

Die Forschungsgruppen vernetzten daraufhin ihre Bemühungen, um zu ergründen, wie die Struktur von Nanoteilchen ihre Materialeigenschaften beeinflusst. Die grundlegenden optischen Eigenschaften von Nano-Kohlenstoff-Teilchen gehen auf das Partikel-Innere zurück, die aus einer Diamant- oder Graphenoxid-Verbindung bestehen kann. "Die Struktur der Oberfläche dieser Nanoteilchen kann die Materialeigenschaften deutlich verändern. Aber genau verstanden hat diesen Effekt noch niemand", sagt Petit. 

Freigeist-Fellow seit 2014: Dr. Annika Bande. (Foto: Mirko Krenzel für VolkswagenStiftung)

Um zu ergründen, wie Oberflächenstruktur und Eigenschaften zusammenhängen, vereinten die beiden Freigeist-Fellows ihre vielfältigen Analyseverfahren. Ein Doktorand aus der Gruppe Petit, Jian Ren, verglich unterschiedlich aufgebaute Nanokohlenstoffe (Hydroxyl-, Carboxyl- und Amino-terminiert) mit verschiedenen Spektroskopien und untersuchte, wie sich ihre Eigenschaften bei verschiedenem Wassergehalt und pH-Wert ändern. Der Doktorand Fabian Weber aus der Bande-Gruppe führte dazu komplementäre theoretische Rechnungen durch. Basierend auf ihren Ergebnissen stellten die Forschungsteams fest, dass speziell die Röntgenabsorptions-Spektroskopie geeignet ist, Strukturmuster in Nanoteilchen zu ermitteln.

Datenbank für Nano-Kohlenstoff-Verbindungen 

Die Forscherinnen und Forscher setzten eine Datenbank mit gerechneten Spektren für Strukturfragmente auf, mit der experimentell ermittelte Spektren interpretiert werden können. Die Erkenntnisse wurden in den Zeitschriften "Nanoscale" und "Physical Chemistry Chemical Physics" veröffentlicht.

Künftig soll die Datenbank allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler helfen, die Röntgenspektren interpretieren müssen. Sie könnten sich wie in einem "Puzzle" die Bausteine ihres Materials zusammensuchen und einen "digitalen Zwilling" erstellen, der Informationen zu den Eigenschaften des Nanomaterials liefert. "Ich möchte die Datenbank in den nächsten Jahren weiter ausbauen und in eine maschinelle Lernmethode einbetten, mit der die Strukturen von organischen Nanomaterialien mit bestimmten Eigenschaften vorhersagt werden kann", wünscht sich Bande.

In Bandes Datenbank werden dann auch die Nanodiamanten und Kohlenstoff-Nitrid-Polymere zu finden sein, die Petit auf seiner Agenda hat. Sie kommen als alternative Fotokatalysatoren für die Wasserspaltung in Frage. Die Daten können Petits Arbeitsgruppe dabei helfen, zu untersuchen, was auf chemischer Ebene an der Katalysator-Wasser-Grenzfläche passiert.

Die Forschungsgruppen von Bande und Petit planen nun die nächsten Schritte. Eines ist bereits klar: Auch in Zukunft wollen die Teams zusammen arbeiten und einige ihrer Forschungsfragen interdisziplinär lösen.

Nanokohlenstoff (links) mit unterschiedlichen Resten an den verschiedenen Kohlenstoff-Atomen. Ausschnitt aus der Datenbank der Röntgenspektren (rechts) für jedes dieser Arten von Kohlenstoff-Atomen. Entsprechend der Häufigkeit im Nanokohlenstoff, werden die Spektren zu einem Gesamtspektrum addiert (Mitte) und mit dem Experiment (schwarze Linie) verglichen. (Grafik: Weber et al, PCCP 21, 6999 (2019) - Published by the PCCP Owner Societies)

Originalveröffentlichungen

"Influence of surface chemistry on optical, chemical and electronic properties of blue luminescent carbon dots": J. Ren, F. Weber, F. Weigert, Y. Wang, S. Choudhury, J. Xiao, I. Lauermann, U. Resch-Genger, A. Bande, T. Petit, Nanoscale 11, 2056 (2019). DOI: 10.1039/c8nr08595a

"Local X-Ray Absorption Spectroscopy Database Analysis for Oxidized 2D Carbon Nanomaterials": F. Weber, J. Ren, T. Petit, A. Bande, Phys. Chem. Chem. Phys. 21, 6999 (2019), DOI: 10.1039/C8CP06620E

Hintergrund

Annika Bande ist Freigeist-Fellow der VolkswagenStiftung und erforscht in den Projekten "Electrondynamics of Ultrafast Energy Transfer Processes of Real and Artificial Atoms Induced by Long-Range Electron Correlation" und "Dynamics of Catalytic Charge Transfer Processes from Graphene Quantum Dots to their Environment" mit computergestützten Methoden die Bewegungsmuster von Elektronen in Nanopartikeln.

Tristan Petit, ebenfalls Freigeist-Fellow, erforscht seit 2015 die Eigenschaften und Reaktionen von kohlenstoff-basierten Nanopartikeln in seinem Projekt "Nanocarbons in Aqueous Environment: Spectroscopy Applied to Electro- and Photochemical Processes in Liquid"

Die Freigeist-Fellowships

Mit ihrer Initiative "Freigeist-Fellowships" fördert die Stiftung eigenwillige Forschungsvorhaben, die über Fachgrenzen hinweg unbekanntes Terrain erschließen und neue Perspektiven eröffnen. Vor allem aber fördert sie Freigeister: die kreativen Köpfe, die es für solche Ideen braucht.