Mehr als Zeugen der Zeitgeschichte
Aders’ Beitrag, den die Besucher des aktuellen Herrenhäuser Forums zu sehen bekamen, ist eindringlich. Es sind Nahost-Korrespondenten wie der 53-Jährige, die uns tagtäglich von Elend, Krieg und Terror, aber auch von kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen aus jenen Krisenregionen erzählen. Sie prägen unser Bild vom Dauerkonflikt zwischen Israel und Palästina, vom Bürgerkrieg in Syrien oder von den Aufständen in Ägypten. Aber wer sind diese Korrespondenten eigentlich? Wie sieht ihr Alltag aus, und wie hat er sich zuletzt verändert? Und: Inwiefern sind sie nicht nur Beobachter, sondern auch Akteure der deutschen Nahostpolitik? Diese Fragen stellten als Moderatoren die Historiker Prof. Dr. Johannes Paulmann und Dr. Bernhard Gißibl vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz den Gästen des Abends: dem ARD-Korrespondenten Thomas Aders und der Professorin Dr. Ulrike Freitag vom Zentrum Moderner Orient Berlin. Der ebenfalls eingeladene frühere ARD-Nahost-Korrespondent Ulrich Kienzle musste krankheitsbedingt leider absagen.
Vertrauenswürdige Deutungsinstanzen
In einer Einleitung ging Gißibl zunächst auf eine Studie der Universität Oxford ein, die der Frage nachging, ob Korrespondenten durch das Internet nicht überflüssig geworden seien. Schließlich bräuchten Bilder im Zeitalter von Twitter und YouTube keine Medien wie Fernsehen und Tageszeitung mehr, klassische Berichterstattung sei nicht mehr flexibel genug – so ein Teil der Ergebnisse. Die Studie lasse sich aber auch anders lesen, sagte der Historiker: "Wegen der neuen Unübersichtlichkeit durch Spam, Public Relations, Propaganda und gezielter Desinformation sind professionelle Korrespondenten gerade als dauerhafte Beobachter, Augenzeugen und vertrauenswürdige Deutungsinstanzen für das Geschehen jenseits unserer Grenzen wichtiger denn je."
Mit der Frage, was der "Nahe Osten" überhaupt sei, startete Paulmann anschließend die Gesprächsrunde. Ulrike Freitag zog die geografischen Grenzen im Iran im Osten und in Marokko oder Mauretanien im Westen. Im Süden müsse auch der Nordsudan miteinbezogen werden, sagte die Wissenschaftlerin. Thomas Aders’ Einsatzgebiet ist damit allerdings nicht deckungsgleich, was mit der Organisation der Rundfunkanstalten zu tun hat. Für die Türkei und den Iran sei der Bayrische Rundfunk und nicht der Südwestrundfunk, für den er arbeite, zuständig. Auch Israel und Palästina, wo die deutsche Nahost-Korrespondenz ihren Ursprung hat, werden separat betreut, erläuterte er die komplizierten Strukturen der ARD.
Aufpasser in schwarzen Lederjacken
Beide Gäste berichteten anschließend von den Schwierigkeiten ihrer Arbeit vor Ort. Etwa davon, wie ein Historikerkollege geglaubt habe, von Beirut nach Tel Aviv zu einer Tagung weiterreisen zu können. "Das geht dann entweder nur über Amman, oder wie in seinem Fall, noch mal mit einem Zwischenstopp in Deutschland", sagte Ulrike Freitag. Wenn Aders mit seinem Team unterwegs ist, sind die Herren in schwarzen Lederjacken nicht weit – in vielen Ländern wird der Korrespondent auf Schritt und Tritt von Staatssicherheitskräften beobachtet. Gefährlich kann es trotzdem werden: So wurde kürzlich ein TV-Team in Ägypten auf offener Straße brutal zusammengeschlagen. Die Berichterstatter helfen sich im Alltag gegenseitig. "Wir machen regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse, um im Notfall was tun zu können", erzählte Aders. Er war morgens um drei Uhr in Kairo aufgebrochen, um am Abend in Hannover dabei sein zu können. Denn der Austausch über die Rolle von Korrespondenten sei ihm sehr wichtig: "Wir rasen von Brennpunkt zu Brennpunkt und kommen gar nicht mehr dazu, zu hinterfragen, was wir da eigentlich machen."