Bauforschung, hier am Naumburger Dom, zählt zu den Kleinen Fächern.
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Förderinitiative Weltwissen: Starke Strategien für Kleine Fächer

Zum dritten und letzten Stichtag wurden 35 Anträge in der Förderinitiative "Weltwissen – Strukturelle Stärkung Kleiner Fächer" eingereicht.

Im September 2017 startete die erste Ausschreibung in der (inzwischen beendeten) Förderinitiative "Weltwissen". Ihr Ziel: Forschende und Lehrende sollten die Chance erhalten, innovative Ideen und Strategiekonzepte zu entwickeln, die zur strukturellen Stärkung ihres Fachs an ihrer Universität beitragen. Für Antragstellende zwingend erforderlich: eine Zusage der Universitätsleitungen, die Projekte, die maximal sieben Jahre gefördert werden, nachhaltig zu unterstützen, auch finanziell. 

Planungssicherheit und Unterstützung haben Kleine Fächer schon seit Jahren dringend nötig. Denn wenn Universitäten ihre Budgets umschichten oder kürzen, sind meist sie es, die besonders schnell ins Fadenkreuz geraten und entweder mit anderen Einheiten verschmolzen oder ganz gestrichen werden. Das jüngste Beispiel lieferte kürzlich die Universität Halle-Wittenberg. Deren Sparpläne nannte ein FAZ-Beitrag am 2. Juni 2021 einen "Angriff mit der Abrissbirne", dem u. a. die Indologie, Orient-Archäologie und das 1787 gegründete Institut für Altertumskunde zum Opfer fallen sollten.

Digitalität und Museumarbeit bieten Zukunftspotentiale

Kleine Fächer stehen vor einer doppelten Herausforderung: Auf der einen Seite müssen sie Wissen bewahren und zukunftsfähig verbreiten; auf der anderen Seite müssen sie sich bemühen, innerhalb ihrer Universitäten und deren spezifischen Profilen anschlussfähig zu werden. Die beantragten Strategiekonzepte schlagen sowohl Maßnahmen zur Stärkung eines Faches an einer einzelnen Universität, an mehreren Standorten sowie auch die Verknüpfung mehrerer Kleiner Fächer an einer einzelnen Universität zur Nutzung von Synergieeffekten vor. 

Die Rahmenbedingungen für die einzelnen Kleinen Fächer an den 108 Universitäten in Deutschland sind sehr unterschiedlich. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zeigen hingegen oft ähnliche Muster: Dass Digitalität als Forschungsgegenstand und -methode wie auch als Wissens- und Lehrformat eine große Rolle spielt, verwundert ebenso wenig wie die Nutzung der vielfachen Verbindungen Kleiner Fächer in die Museumswelt.

Anträge spiegeln Fächervielfalt wider

Mit ihrer Förderinitiative "Weltwissen" hat die VolkswagenStiftung eine Art Aufbruchsstimmung in den Kleinen Fächern erzeugt. So groß wie die Resonanz, so vielfältig ist auch das Fächerspektrum, das sich in den Anträgen widerspiegelt. Es gibt einen Schwerpunkt in den Geistes- und Kulturwissenschaften, den Area Studies, aber immer wieder stehen auch Kleine Fächer in den Naturwissenschaften im Fokus. Fast 160 Kleine Fächer - diese Zahl macht die Fächervielfalt in Deutschland deutlich - erfasst derzeit die "Arbeitsstelle Kleine Fächer" in ihrem Online-Portal.

Förderinitiative "Weltwissen"

Die Förderinitiative "Weltwissen – Strukturelle Stärkung Kleiner Fächer" wurde erstmalig im September 2017 ausgeschrieben.

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Welchen Impact die Stiftungsförderung haben wird, lässt sich wohl erst in ein paar Jahren sagen. Die von der Stiftung geförderten Projekte werden mit der Auflage versehen, eigene Kriterien für eine Erfolgsmessung anlässlich einer Midterm-Evaluation zu entwickeln. Eine übergeordnete Wirkung des Förderprogramms wäre freilich erst dann erzielt, würden die einzelnen Universitäten in ihrer Entscheidungsautonomie zurückgebunden an die Bedarfe der Wissenslandschaft in ganz Deutschland. Die Einrichtung einer Art "Clearing-Stelle", die die Fächervielfalt im ganzen Land "top down" im Blick hat, könnte helfen. Dies setzte freilich eine Entscheidung der Politik voraus.

Welche von den 35 zum letzten Stichtag eingereichten Anträge erfolgreich sein werden, entscheidet das Kuratorium der Stiftung nach der derzeit laufenden Begutachtung Anfang 2022. In der letzten Antragsrunde 2020 wurden insgesamt 5,6 Mio. Euro bewilligt, etwa 30 Prozent der Antragssumme in dieser Förderlinie.

Übersicht der sechs in der Antragsrunde 2020 bewilligten Projekte, die 2021 starten:

Nr.1 DiCi-Hub (Digital Cinema-Hub): A Research Hub for Digital Film Studies 

Im Rahmen des Strategiekonzepts sollen etablierte (post-)hermeneutische Methoden mit neuen digitalen Forschungsinstrumenten und Methoden zur Stärkung der Filmwissenschaft verbunden werden.

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Malte Hagener, Universität Marburg, Institut für Medienwissenschaft; Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Universität Frankfurt am Main, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft; Prof. Dr. Alexandra Schneider, Universität Mainz, Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft

Nr. 2 AMYGDALA Associating music therapy's progress and medical research

Mit dem Strategiekonzept soll sowohl die Musiktherapie selbst wie auch das Kleine Fach am Standort Augsburg bzw. an der Augsburg Medical School strukturell weiterentwickelt werden. 

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Susanne Metzner, Universität Augsburg, Institut für Musikpädagogik, Musiktherapie und Musikwissenschaft

Nr. 3 Historische Grundwissenschaften – Digital Palaeography and Imaging Science

Das Kleine Fach Historische Grundwissenschaften soll in Forschung und Lehre durch den Einsatz der neuesten digitalen Technologien zur Wiederherstellung und automatisierten Erkennung von handgeschriebenem Text gestärkt werden.

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Winfried Rudolf, Universität Göttingen, Seminar für englische Philologie, Abteilung für Englische Sprache und Literatur des Mittelalters; Prof. Dr. Martin Langner, Universität Göttingen, Institut für Digital Humanities; Prof. Dr. Wolfram Horstmann, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen

Nr. 4 Cross-Linking Cultural Knowledge: Cooperative Structures in Cultural Anthropology Research, Teaching and Knowledge Transfer

Das Strategiekonzept zielt darauf ab, die heute ausdifferenzierte Wissen(schafts)landschaft kulturanthropologischer Forschung in Universität (Tübingen und Freiburg) und Museum (Landesmuseen) wieder stärker zu verzahnen. Eine zentrale Forschungsfrage greift die neuen Verschiebungen und Aushandlungsprozesse zwischen Stadt und Land, Urbanität und Ländlichkeit auf.

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Markus Tauschek, Universität Freiburg, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie; Prof. Dr. Thomas Thiemeyer, Universität Tübingen, Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaften

Nr. 5 The ‘School of Medieval and Neo-Latin Studies’: A modular, interdisciplinary, international and digital approach to teaching post-antique Latin

Unter dem Dach einer gemeinsamen "School of Medieval and Neo-Latin Studies" wollen die drei beteiligten Universitäten einen modularen, interdisziplinären und digitalen Zugang zur nachantiken Latinität in Form eines Masterstudiengangs sowie von anrechenbaren Zertifikaten entwickeln.

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Stefan Tilg, Universität Freiburg, Seminar für Griechische und Lateinische Philologie; Prof. Dr. Frank Bezner, Universität Freiburg, Seminar für Griechische und Lateinische Philologie; Prof. Dr. Carmen Cardelle de Hartmann, Universität Zürich, Seminar für Griechische und Lateinische Philologie; Prof. Dr. Florian Schaffenrath, Universität Innsbruck, Institut für Sprachen und Literaturen

Nr. 6 Islamic Archaeology and Art History at Goethe University: Structural Concept for the consolidation and aggrandisement of a rare subject

Ziel des Strategiekonzepts ist eine Stärkung der Islamischen Archäologie und Kunstgeschichte durch eine Kombination von Forschungsförderung, Infrastruktur sowie Internationalisierung.

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Dirk Wicke, Universität Frankfurt am Main, Institut für Archäologische Wissenschaften; Priv.-Doz. Dr. Martina Müller-Wiener, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Museum für Islamische Kunst