"Die Wissenschaft hat eine Bringschuld gegenüber der Öffentlichkeit" - Christoph Klimmt im Interview
Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Christoph Klimmt bewegt sich permanent an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Bei Herrenhausen Late sprachen wir mit ihm über seine Motivation, Wissenschaft zu kommunizieren, wie man mit Wissenschaftsthemen junge Leute erreichen kann und über die vielfach beschworene Vertrauenskrise. - Ein Beitrag zu unserem Themenschwerpunkt "Wissenschaft und Gesellschaft".
Prof. Dr. Christoph Klimmt lehrt Kommunikationswissenschaften am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Im Jahr 2013 eröffnete er unsere Veranstaltungsreihe Herrenhausen Late mit dem Thema "Unsere makabre Freude an Leichen: Alles über Krimiserien".
Herr Klimmt, Sie haben 2013 unsere Veranstaltungsreihe Herrenhausen Late, die vor allem ein junges Publikum ansprechen will, eröffnet. Warum haben Sie mitgemacht?
Christoph Klimmt (Ch. K.): Als Kommunikationswissenschaftler interessiere ich mich sehr für die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit und für die Möglichkeit, diese Schnittstelle durch innovative Formate auszugestalten. Und da ist Herrenhausen Late eben eine Möglichkeit gewesen, die mich ansprach. Auch deswegen, weil ein gewisser Entertainment-Faktor dabei ist. Unterhaltsamer Mediengebrauch ist eines meiner Forschungsgebiete, und so kamen verschiedene Interessen zusammen, die man sonst nicht bei typischen, sagen wir mal althergebrachten Formaten der Wissenschaftskommunikation vorfindet.
Wie haben Sie diesen Abend erlebt?
Ch. K.: Der Abend war großartig. Das lag zum einen an meinem amerikanischen Kollegen Arthur A. Raney, der mit mir zusammen den Vortrag bestritten hat und mit dem ich mich sehr gut verstehe, der seinerseits auch sehr viel im Entertainmentbereich forscht. Und so haben wir das, was wir normalerweise in der Forschung anwenden, selbst auf die Bühne gebracht. Andererseits hat sich das Publikum sehr interessiert gezeigt, und ich glaube, es hat gut funktioniert, die Thematik Krimi als Anschauungsobjekt dafür zu verwenden, wie wir in den Sozialwissenschaften – in meinem Fall in der Kommunikationswissenschaft – an gesellschaftliche Phänomene herangehen.
Engagieren Sie sich auch sonst in Sachen Wissenschaftsvermittlung?
Ch. K.: Die meisten Engagements, die ich im Bereich Wissenschaftsvermittlung habe, sind deutlich weniger innovativ als Herrenhausen Late. Meine Forschung bezieht sich auf viele Felder an der Schnittstelle zwischen Medien und Gesellschaft – und da gibt es unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, die Interesse haben, etwas über unsere Forschung zu erfahren. Ich halte typischerweise Vorträge im Rahmen von Weiterbildung, wenn es um Kinder- und Jugendarbeit geht, wenn es um Erziehungsfragen geht, die etwas mit neuen Medien zu tun haben. Die häufigste Art und Weise, wie ich mich an Wissenschaftsvermittlung beteilige, passiert in größeren Settings, eingebunden in größere Veranstaltungen, die es braucht, um eine kritische Masse von Zuhörerinnen und Zuhörern zu erzeugen – und die man mit einer enormen Menge an Informationen konfrontiert. Bei Fachpublika im Rahmen von Weiterbildung ist das in der Regel kein Problem, aber wenn wir uns an die breite Öffentlichkeit wenden, dann braucht es eigentlich durchdachtere Konzepte als einfach nur die berühmten "Talking Heads". Also einen Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin herbeizuholen, die dann aus dem Nähkästchen plaudert. Und auch da ist Herrenhausen Late, finde ich wegweisend. Weil die Rahmenbedingungen so gesetzt sind, dass nicht nur wir aus der Wissenschaft uns Gedanken machen müssen, wie bereiten wir unser Thema auf? Sondern weil auch das Setting und der Veranstaltungsablauf so aufgebaut sind, dass die Aufnahmefähigkeit des Publikums eben auch ermöglicht wird.
Was treibt Sie persönlich an, Wissenschaftsvermittlung zu betreiben?
Ch. K.: Die Hauptmotivation, mich an Wissenschaftsvermittlung zu beteiligen, ist eigentlich "giving back". Ich habe den besten Job der Welt! Wissenschaftler in Deutschland sein zu dürfen ist unglaublich privilegiert, weil ich so große Freiheiten habe, mich mit den Themen zu beschäftigen, die mich interessieren und meinen Wissensdurst sozusagen täglich zu stillen. Das mache ich mit öffentlichen Geldern und deswegen glaube ich, dass wir Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eine Bringschuld haben, der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stehen: In dem Sinne, dass wir versuchen zu erklären, was wir tun, was wir herausfinden und wie die Gesellschaft von dem von uns erzeugten Wissen profitieren kann. Und deswegen halte ich Wissenschaftsvermittlung für eine wichtige - nicht die wichtigste - aber für eine wichtige Aufgabe.
Wie lassen sich grundsätzlich – Ihrer Meinung nach – junge Leute für Wissenschaftsthemen interessieren?
Ch. K.: Das ist eine echte Herausforderung auf mehreren Ebenen. Eine davon ist, dass Wissenschaftsthemen immer um die Aufmerksamkeit eines unterhaltungsverwöhnten Publikums kämpfen müssen – gegen harte Konkurrenz. Die junge Generation heute, die wir interessieren wollen für aktuelle Themen im Bereich Wissenschaft und Technologie, wachsen ja geradezu mit einem Überangebot von interessanten, unterhaltsamen Medien auf und erzeugen über die sozialen Medien selbst viel von dem täglichen Entertainment, was sie so gerne haben. Und gleichzeitig ist es ja so, dass moderne Wissenschaftsthemen immer sperriger werden. Die Fragestellungen werden umfassender, schwieriger. Die Methoden, die wir einsetzen, werden immer schwerer verständlich, was man unter anderem daran sieht, dass sich immer feinere Nischenwissenschaften bilden, immer nochmal Unterformationen bilden. Der Bereich Engineering zum Beispiel ist heute eine unfassbar ausdifferenzierte Landschaft von Einzeltechnologiesträngen, die beforscht und bearbeitet werden.
So trifft, und das ist gar nicht vorwurfsvoll gemeint, eine weniger interessierte, unterhaltungsverwöhnte Klientel auf zunehmend erklärungsbedürftige, aber schwer zu erklärende Wissenschaftsgegenstände. Wie wir das hinkriegen, ist gewissermaßen die Schlüsselfrage für Praktiker, aber auch Wissenschaftler, die sich mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen. Und die eine Antwort gibt es offensichtlich nicht. Was es braucht ist eine Vielfalt von Instrumenten und Formaten, wo man auch einiges ausprobieren muss, auch in Kauf nehmen muss, dass manche Versuche scheitern. Ich denke, ganz wichtig ist, dass man realistische Ziele formuliert. Auch ein Herrenhaus Late wird nicht 150 bildungsferne Jugendliche dazu kriegen, sich am Abendgymnasium fit zu machen für ein ingenieurwissenschaftliches Studium. So einfach ist es nun mal nicht.
Wenn wir unsere moderne Wissensgesellschaft auf die Zukunft vorbereiten wollen, dann braucht es natürlich mehr Anstrengungen als nur punktuelle Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation. Trotzdem glaube ich, dass auch außerhalb des schulischen Sektors mit klug angelegten Formaten durchaus etwas zu erreichen ist. In dem Sinne, dass wir Bürgerinnen und Bürger eher in die Lage zu versetzen, zu verstehen, wo aktuelle wissenschaftliche Herausforderungen liegen und wie Wissenschaft arbeitet. Und dass es eben auch möglich ist, Wissenschaft kritisch zu beobachten und als Öffentlichkeit auch in dieses Gesellschaftssystem – denn Wissenschaft ist ein Gesellschaftssystem – hinein zu blicken. Alleine die Geste, sich als Wissenschaft transparent und verfügbar zu machen, ist schon wichtig. Der Öffentlichkeit sollte vermittelt werden: Sie darf zuhören, sie darf mitbekommen, was aktuell in der Wissenschaft läuft – und sie darf im Zweifelsfall auch kritisch nachfragen.
Das ist ein gutes Stichwort für die Frage nach der nicht selten anzutreffenden Wissenschaftsskepsis und dem, was man dagegen tun kann. Manche sprechen aktuell ja sogar von einer Vertrauenskrise …
Ch. K.: Also zum Thema Vertrauenskrise sehe ich zwei Punkte. Der eine ist: Ich glaube, wir haben gar keine Vertrauenskrise. Ich glaube, das ist ein Artefakt, eine Illusion, die dadurch entstanden ist, dass sich der Ton in der öffentlichen Debatte über ganz viele gesellschaftliche Phänomene in den letzten fünf bis zehn Jahren drastisch verschärft hat. Heute halten viele Akteure des gesellschaftlichen Diskurses, Institutionen, NGOs, aber auch Politiker nicht mehr so hinter dem Berg mit ihrer Meinung und mit Vorwürfen – begründet oder nicht – gegen andere Institutionen. Namentlich auch gegen die Wissenschaft, die früher eigentlich nie großartig attackiert worden. Wir Wissenschaftler hatten immer ein gutes Auskommen, weil wir ja angeblich nur für das öffentliche Wohl forschen und niemandem etwas Böses wollen. Das ist bei Konzernen anders, auch bei konkurrierenden politischen Parteien. Es gibt jetzt aber mehr Akteure, die behaupten, Wissenschaft sei nicht mehr vertrauenswürdig. Ich jedoch sehe nicht, dass das mit Blick auf das, was Bürgerinnen und Bürger von der Wissenschaft halten, tatsächlich der Fall ist. Insofern glaube ich, es ist auch ganz wichtig, darüber ruhig und sachlich nachzudenken. Und nicht in so eine gefühlte Rechtfertigungskrise zu verfallen, nach dem Motto: „Wir haben bisher alles falsch gemacht in der Art und Weise, wie wir als Wissenschaft agiert haben.“ Insofern wehre ich mich gegen den Begriff der Vertrauenskrise.
Umgekehrt ist es aber so, und das ist der zweite Punkt, dass das Wissenschaftssystem gerade in Deutschland enorm gewachsen ist. Wir haben heute viel mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als vor 30, 40, 50 Jahren. Und mit dem Wachstum kommt eine Reihe von Problemen. Nämlich: Wir haben es heute viel häufiger mit wissenschaftlichem Fehlverhalten, mit Krisen und Skandalen in der Wissenschaft zu tun. Das ist dem gestiegenen Wettbewerbsdruck innerhalb der Wissenschaft geschuldet. In der Hinsicht ist Wissenschaft anderen gesellschaftlichen Teilsystemen wie der Wirtschaft deutlich ähnlicher geworden. Und damit müssen wir uns beschäftigen. Das heißt: Raus aus dem Elfenbeinturm, selbst kritikfähig werden und auch Instrumente schaffen, wie wir mit hausgemachten, internen Krisen oder Fehlentwicklungen umgehen. Und das weiß wiederum die Kommunikationswissenschaft – Krisenkommunikation ist dort etwas ganz Essentielles. Und deswegen ist es, glaube ich, auch wenn die Vertrauenskrise für die Wissenschaft meines Erachtens noch nicht da ist, unheimlich wichtig, dass Wissenschaft Folgendes versteht: Sie ist ein großer, wichtiger gesellschaftlicher Akteur geworden und muss sich nun auch den Spielregeln öffentlicher Kommunikation unterwerfen, die für Wirtschaft, für Politik schon immer galten. Das ist aber nur über Transparenz zu schaffen und indem wir eben verfügbar sind und nicht hochnäsig durch die Gegend laufen und sagen: "Unsere Wissenschaft ist zu wichtig, wir haben keine Zeit, dem einfachen Bürger Fragen zu beantworten."
Was glauben Sie, hält Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bislang davon ab, sich zu öffnen und in Austausch mit der Gesellschaft zu treten?
Ch. K.: Ich glaube es gibt zwei wichtige Gründe, warum manche Kolleginnen und Kollegen hier sehr zurückhaltend sind. Der eine ist, dass der Wettbewerbsdruck innerhalb der Wissenschaft enorm gestiegen ist. Wir sprechen ja auch von der Ökonomisierung von Wissenschaft. Das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass Professorinnen und Professoren alle scharf auf berufliche Erfolge sind und mehr publizieren wollen, sodass ihnen keine Zeit bleibt, um Wissenschaftsvermittlung zu betreiben. Es hat auch etwas damit zu tun, dass Hochschulleitungen und Wissenschaftspolitik entsprechenden Druck aufbauen. Wir müssen heute in aller Regel Zielvereinbarungen erfüllen, wir müssen Leistungsbilanzen vorlegen, und es sieht nicht gut aus, wenn wir in einem Jahr deutlich weniger Drittmittel eingeworben haben als zuvor. Da kommt ein Universitätspräsident, eine Hochschulleitung und fragt nach, was denn da im Argen liegt. Wir sind nicht mehr so frei wie früher, und müssen darauf reagieren. Viele arbeiten sehr intensiv für ihre Forschung und haben deswegen das Gefühl, wenn das Bestehen im Wissenschaftssystem so hart geworden ist, dann ist es schwierig, auch noch sehr viel Zeit in Wissenschaftsvermittlung zu investieren.
Der zweite Grund ist, glaube ich, dass immer noch viele Kolleginnen und Kollegen falsche Vorstellungen davon haben, was es bedeutet, sich für Wissenschaftsvermittlung zu engagieren. Nämlich einerseits, dass es wahnsinnig viel Arbeit ist und andererseits, dass Risiken damit verbunden sein könnten, man könne etwas falsch machen. Zum Beispiel bei der notwendigen Komplexitätsreduktion. Also: Wenn ich moderne Lasertechnologien für Laien verständlich erklären will, muss ich natürlich bildersprachlich arbeiten und ein paar Bilder verwenden, bei denen mancher Experte vielleicht sagt, das ist ja eine Verdrehung der Tatsachen. Und genau diese Übersetzungsleistung anzubieten und dabei auch so mutig zu sein, die wissenschaftliche Präzision ein Stück weit zurückzustellen, das ist glaube ich etwas, wovor sich viele Kolleginnen und Kollegen tatsächlich fürchten, dass ihnen das eines Tages vor die Füße fällt – im Sinne von: "Sie haben da bei dem Vortrag X für die Öffentlichkeit diese komplexe Technologie Y aber völlig falsch dargestellt." Denn das haben nun mal alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Basisprinzip gelernt: Es muss genau und korrekt sein. Und bevor sie dann in einen Konflikt geraten zwischen diesen beiden Polen, lassen sie es lieber ganz sein. Da ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Der andere Faktor, nämlich die Befürchtung, dass zu viel Arbeit investiert werden muss, ist etwas, was man leichter entkräften kann. Gleichwohl muss man den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch einen Ermöglichungsrahmen dafür bauen. Das ist nicht einfach so neben dem Tagesgeschäft zu machen, sondern es braucht – und auch dafür ist Herrenhausen Late ein gutes Beispiel – Akteure, Rahmenbedingungen und tatsächlich auch Ressourcen, um solches Engagement gründlich vorbereiten und durchführen zu können.
Mit welchen Hilfestellungen ließen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler motivieren, doch stärker in die Öffentlichkeit zu kommunizieren?
Ch. K.: Um Kolleginnen und Kollegen erstmalig zu motivieren, ihre Scheu zu überwinden, ist es nützlich, Anreize zu setzen. Es muss deutlich werden, die Aufgabe der Vermittlung kommt jetzt nicht noch "on top", sondern sie ist leistbar. Und man bekommt Hilfe bei den Fragen, wo noch Berührungsängste verspürt werden. Und dass man für so ein Engagement auch Anerkennung erhält, auch von der Hochschulleitung, die in der Regel ja gut darin ist, den Erwartungsdruck allgemein zu steigern und gleichzeitig mehr Engagement für Wissenschaftskommunikation einzufordern.
Die Erkenntnis, dass nicht alles gleichzeitig geht, muss in diesem Umfeld sicher noch wachsen. Also bevor man jetzt ganze Professorenschaaren durch Medientrainings scheucht, wäre es viel sinnvoller, erst mal im Bereich der Wissenschaftssteuerung, also in Hochschulleitungen und Dekanaten, die Reflexion darüber anzustoßen, wie bauen wir Wissenschaftsvermittlung in unser Anerkennungssystem ein? Und wie verteilen wir auch die Lasten sinnvoll? Beispiel: In einem großen Fachbereich mag es 50 bis 100 Professoren geben. Und wenn sich jede oder jeder von denen zweimal im Jahr für ein Format der Wissenschaftsvermittlung zur Verfügung stellt, und alle das Gefühl haben, sich nicht allein zusätzlich zum Tagesgeschäft der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, dann wird man schon erhebliche Motivationseffekte erzielen können.
Sehen Sie in den vielfältigen digitalen Optionen und im veränderten Medienverhalten jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Potential für eine neue, erfolgreiche Wissenschaftskommunikation?
Ch. K.: Ich sehe in den digitalen Medien ehrlich gesagt vor allen Dingen ein Problem für die Wissenschaft. Und zwar weil dadurch, dass jetzt über soziale Medien der Kontakt zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie der Allgemeinheit leichter herzustellen wäre, die Illusion geschürt wird, dass die Aufgabe der Wissenschaftsvermittlung viel einfacher wird und man deswegen von Forschenden mehr Engagement für dieses Feld erwarten darf. So einen Videoblog könne heute ja jeder Wissenschaftler haben und so ein bisschen twittern über die neuste Forschung, das wäre ja wohl nicht zu viel verlangt...
Tatsächlich ist gerade für uns Kommunikationswissenschaftler das Aufkommen von digitalen Kanälen einerseits spannend, andererseits besorgniserregend, weil der Bedeutungsgewinn digitaler Kanäle vor allen Dingen zu Lasten des klassischen Journalismus geht. Den darf man nämlich nicht vergessen, wenn es um Wissenschaftsvermittlung geht. Früher mal war dies hauptsächlich die Aufgabe von Wissenschaftsjournalistinnen und Wissenschaftsjournalisten, aber aller Orten gibt immer weniger Profis, die diese Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit journalistisch begleiten und gestalten. Und das in Zeiten, wo das eigentlich dringend nötig wäre, weil Wissenschaft eben größer und komplexer, erklärungsbedürftiger und ‚kritisiernotwendiger‘ wird. Wenn ich daher sage „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind gefordert, sich an der Wissenschaftsvermittlung zu beteiligen“, geht das immer mit der Forderung einher, dass wir auch mehr für den Wissenschaftsjournalismus tun müssen. Und da gäbe es im digitalen Bereich natürlich Chancen. Gleichwohl muss man auch da überlegen, wie für den Journalismus insgesamt, welche Finanzierungsmodelle würden funktionieren?
Digitale Medien bieten viele neue Chancen, mit überschaubarem Aufwand auch beispielsweise einzelne Forschungsprojekte nachhaltig transparent zu machen. Wir machen recht gute Erfahrungen damit im Rahmen von Modulen in Projektverbünden, die sich mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs beschäftigen. Wir bringen die Wissenschaftskommunikation beispielsweise durch Filmprojekte mit den Doktorandinnen und Doktoranden ein. Da entsteht dann guter Content, mit dem man der Öffentlichkeit zum Beispiel etwas über einen Sonderforschungsbereich vermitteln kann. In der Breite braucht es aber gute Journalistinnen und Journalisten, ausreichend Ressourcen und professionelles Knowhow, damit solche Themen in digitale Kanäle getragen werden. Denn Wissenschaftskommunikation können Doktorandinnen und Doktoranden nicht von allein, nur weil sie einen privaten Instagram-Account haben.