Chronobiologe aus Lübeck erhält erste Lichtenberg-Stiftungsprofessur
Die erste Lichtenberg-Stiftungsprofessur wird an der Universität Lübeck eingerichtet, Lehrstuhlinhaber wird der Neurobiologe Prof. Dr. Henrik Oster sein. Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, erklärt im Interview, was es mit dem Förderinstrument generell und der Professur in Lübeck im Speziellen auf sich hat.
Um Universitäten dabei zu unterstützen, exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gewinnen, haben der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die VolkswagenStiftung die Lichtenberg-Stiftungsprofessuren aufgelegt. Universitäten erhalten in der Regel 2 Mio. Euro – sofern sie erhebliche zusätzliche Mittel einwerben können.
Herr Krull, warum hat die Stiftung ihre bisherige Förderinitiative der "Lichtenberg-Professuren" in die "Lichtenberg-Stiftungsprofessuren" umgewandelt?
Wilhelm Krull: Da die VolkswagenStiftung für sich in Anspruch nimmt, als Impulsgeberin für strukturell neue Entwicklungen an deutschen Universitäten zu fungieren, schien es uns an der Zeit zu sein, nach mehr als 1.000 Tenure-Track-Professuren, die mittlerweile im deutschen Hochschulsystem zur Verfügung stehen, die 2003 begonnene Initiative zur Etablierung genau dieses Karriereweges unsererseits zu beenden und in einem nächsten Schritt deutlich zu machen, dass es für deutsche Universitäten unerlässlich sein wird, sich stärker um kapitalbasierte Stiftungsprofessuren zu kümmern und dabei zugleich die Zivilgesellschaft mehr als bisher zu motivieren, Geld für die nachhaltige Förderung von Wissenschaft und Forschung bereitzustellen. Hinzu kommt, dass mit der Reform des Stiftungsrechts seit 2013 für deutsche Stiftungen erstmals die Möglichkeit besteht, ihre Fördermittel auch zur Bildung eines neuen Stiftungskapitals einzusetzen.
Was bezweckt die VolkswagenStiftung mit der Einrichtung der Lichtenberg-Stiftungsprofessuren?
Wilhelm Krull: Wir möchten vor allem darauf hinwirken, dass Universitätsleitungen sich sehr viel stärker als bisher darum bemühen, Mittel aus privaten Quellen zu mobilisieren. Mit einer neuen Professur und entsprechend überzeugenden Wissenschaftlerpersönlichkeiten – so unsere Hoffnung! – sollte es gelingen, auch bislang nicht im universitären Bereich engagierte Förderer für die jeweilige Universität zu gewinnen. Letztlich geht es darum, die Finanzierungs- und Autonomiespielräume deutscher Universitäten nachhaltig zu erweitern.
Welche Wissenschaftler kommen grundsätzlich für eine Förderung infrage?
Wilhelm Krull: Entscheidende Kriterien für eine erfolgreiche Bewerbung um eine Lichtenberg-Stiftungsprofessur werden weiterhin die herausragende Qualität der bisherigen Arbeit und die ausgewiesene Kreativität der jeweiligen Wissenschaftlerpersönlichkeit sein. Nur auf der Basis einer entsprechenden Bewerbung werden ja auch die Geldgeberinnen bereit sein, sich zu engagieren. Der Mut, bislang übliche Pfade zu verlassen, disziplinäre Grenzen zu überschreiten und gegebenenfalls auch bewusst Risiken in der experimentellen Forschung einzugehen, wird für uns maßgeblich sein, wenn es gilt, die entsprechende Summe von zwei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dass dieser Mut in der deutschen Wissenschaftslandschaft grundsätzlich vorhanden ist, beweisen die vermehrten Anfragen nach unserem neuen Förderformat – sowohl von Hochschulen als auch von möglichen Kandidatinnen und Kandidaten.
Warum haben Sie die erste Lichtenberg-Stiftungsprofessur an Prof. Dr. Henrik Oster bewilligt – was macht seine Forschung so herausragend? Und warum Lübeck?
Wilhelm Krull: Herr Oster hat sich bereits bei seiner Bewerbung um eine Lichtenberg-Professur als ein besonders kreativer und Neuland entdeckender Forscher erwiesen. Das von ihm bearbeitete Gebiet der Chronobiologie und -physiologie erscheint unter dem Aspekt der gesundheitlichen Kontexte von enormer Bedeutung. Wenn die Uhr unseres Körpers aus dem Gleichgewicht gerät, kann dies starke Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben. Die erhöhte Gefährdung für Krebserkrankungen etc. und das Zusammenspiel von körperlichem Zeitsystem und neurologischen Funktionen werden für eine ganze Forschergeneration zu einem wichtigen Feld werden. Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ging 2017 an Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young. Die US-Wissenschaftler wurden für ihre Entdeckungen molekularer Mechanismen, die den Biorhythmus steuern, ausgezeichnet.
Die Universität Lübeck und ihr philanthropisches Umfeld haben sich geradezu als idealer Ort erwiesen, um eine kapitalbasierte Stiftungsprofessur zu errichten. Neben dem Stifterverband und der VolkswagenStiftung haben gleich mehrere Lübecker Stiftungen, allen voran die Possehl-Stiftung, aber auch die Sparkassenstiftung, die Hanseatische Universitätsstiftung, die Wessel-Stiftungen sowie die Friedrich Bluhme und Else Jebsen-Stiftung, zum Fundraisingerfolg der Universität beigetragen. Sie können damit zugleich ein Vorbild sein für die gelingende Einwerbung künftiger Lichtenberg-Stiftungsprofessuren.
Welche Rolle spielen bei der Lichtenberg-Stiftungsprofessur die anderen Geldgeber – also der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als ständiger Partner und die regionalen Förderer?
Wilhelm Krull: Soweit die unter dem Dach des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft versammelten Stiftungen mit dem Förderzweck der ins Auge gefassten Lichtenberg-Stiftungsprofessur übereinstimmen, wird der Stifterverband neben uns jeweils eine Million Euro beisteuern. Seitens der Universität gilt es dann freilich noch weitere drei Millionen Euro einzuwerben. Hier haben insbesondere die Stiftungen, aber auch Unternehmen im Umfeld der jeweiligen Universität – und nicht zuletzt wohlhabende Privatpersonen – eine enorm wichtige Funktion, um auch die Bedeutung der jeweiligen Universität für ihre Region zu unterstreichen.
Hintergrund: Lichtenberg-Stiftungsprofessur
Mit den "Lichtenberg-Stiftungsprofessuren" möchten der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die VolkswagenStiftung das hierzulande noch neue Förderinstrument des Endowments an Universitäten in Deutschland etablieren. Alle Informationen zum Förderangebot unter Lichtenberg-Stiftungsprofessur.