Gesamtevaluation 2019/2020
Die VolkswagenStiftung stellte sich im Zeitraum von Mai 2019 bis Juni 2020 einer zweiten Gesamtevaluation. Im Folgenden werden zum einen die Kernempfehlungen des Gesamtevaluationsberichts wiedergegeben und die Konsequenzen umrissen, die die Stiftung bislang daraus gezogen hat; zum anderen die Vorbereitung und Durchführung der Gesamtevaluation skizziert.
Die VolkswagenStiftung sieht in dieser zusammenfassenden Darstellung einen Beitrag zur institutionellen Transparenz. Gleichzeitig möchte sie mit diesem eigenen Anwendungsbeispiel andere Stiftungen dazu ermuntern, Evaluationen für die Reflektion und Weiterentwicklung zu nutzen.
Zielsetzung der Gesamtevaluation
Ziel der Gesamtevaluation war es, ein fundiertes Urteil von Expertinnen und Experten zu den übergreifenden Aspekten des strategischen Stiftungshandelns zu erhalten, also zu Fragen
- der Positionierung als private Förderstiftung mit Vorreiteranspruch,
- zur Portfolio- und Verfahrensgestaltung der Allgemeinen Förderung und des Niedersächsischen Vorabs sowie
- zur internen Governance und Organisation.
Zudem war das Evaluationspanel gebeten, Hinweise und Empfehlungen zur künftigen Stiftungsstrategie – orientiert an den perspektivischen Herausforderungen im Wissenschaftssystem und in der Gesellschaft – zu geben.
Ergebnisse und Erkenntnisse der Gesamtevaluation
"Die VolkswagenStiftung verfügt über eine hohe nationale wie internationale Reputation in der Wissenschafts- und Forschungsförderung. Sie steht für Professionalität und Qualität und sollte auch in Zukunft ihre Vorreiterrolle als innovative private Wissenschaftsstiftung nutzen, Flexibilität in der Förderung zeigen und sich disziplinen- wie grenzüberschreitend engagieren. Die gesamte Stiftung und insbesondere ihr langjähriger Generalsekretär, Dr. Wilhelm Krull, sind ein herausragendes Vorbild für die Wissenschaftsförderung und das Stiftungswesen."
[Executive Summary des Gesamtevaluationsberichtes]
Mit Blick auf ihren Stiftungszweck – die Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre – empfiehlt das Panel der Stiftung:
- die über Jahre entwickelte Stärke als disziplinenübergreifende Impulsgeberin für ungewöhnliche und mutige Verfahren, Strukturen und Themen weiterzuentwickeln,
- ihr Förderportfolio zu fokussieren und zukunftsweisend strategisch neu auszurichten,
- die Wirkungsdefinition, -messung und -bewertung des Förderhandelns systematisch auszubauen,
- ihre unabhängige Forums- und Mittlerfunktion für Diskurse in Forschung, Forschungsförderung und Wissenschaftspolitik weiter zu stärken,
- ihr Engagement an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft auszubauen sowie
- ihr internes Stiftungshandeln partizipativ, digital und agil zu gestalten und organisationales Lernen durch eine gemeinsame Führungs- und Verantwortungskultur zu ermöglichen.
Für das Niedersächsische Vorab als zentrales Förderinstrument für Hochschulen und Wissenschaft in Niedersachsen empfiehlt das Panel die Weiterentwicklung zu einem konsequent strategischen, mehrheitlich langfristig und an höchster wissenschaftlicher Qualität orientierten Förderinstrument.
Nutzung der Evaluationsergebnisse
Bereits während des laufenden Evaluationsprozesses gab es einen intensiven Austausch zwischen den Mitgliedern des Panels und der Geschäftsstelle, so dass die Befunde und Überlegungen des Panels fortlaufend in die interne Strategiediskussion eingespeist wurden.
Förderhandeln und Wirkungsorientierung
Im Dezember 2020 verabschiedete das Kuratorium das neue Förderstrategie-Rahmenkonzept der Stiftung, das die Profilbereiche "Gesellschaftliche Transformation", "Wissen über Wissen: Reflexion & Praxis der Wissenschaften" und "Exploration" als zentrale Säulen definiert und in seinen Leitlinien ein impulsgebendes, risikobereites, grenzüberschreitendes und strukturgestaltendes Förderhandeln zum Ziel setzt. Die konkrete Ausgestaltung der Profilbereiche ist eine Aufgabe für das Jahr 2021.
Ab Februar 2021 startet die Stiftung zudem die Entwicklung eines übergreifenden Konzeptes zur Wirkungsorientierung ihres Förderhandelns. In Vorbereitung darauf wurde seit Juni 2020 die Förderdatensammlung und -nutzung analysiert.
Veranstaltungen und Kommunikation
Die Stiftung wird ihre Rolle als unabhängige Mittlerin weiter stärken und die Forum- und Debattenfunktion für Wissenschaftspolitik und an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft weiterführen.
Zur Stärkung der Wissenschaftskommunikation wurde die Förderinitative "Wissenschaftskommunikation hoch drei – Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung" ins Leben gerufen, deren erste Gutachtersitzung zur Vorauswahl im Januar 2021 stattgefunden hat.
Veranstaltungen sollen zukünftig noch stärker mit dem Förderhandeln verbunden und als Räume für kreative Ideen und Exploration genutzt werden. Ein verändertes Mobilitätsverhalten und die digitalen Möglichkeiten werden dabei die Treiber für die Entwicklung hybrider Veranstaltungsformate sein.
In der externen Stiftungskommunikation sollen die Präsenz und Interaktion in den passenden Kanälen des Social Web weiter ausgebaut werden, um die Dialogoffenheit und Transparenz der Stiftung zu unterstützen.
Governance und Organisation
In direkter Reaktion auf die Evaluationsempfehlungen gründete das Kuratorium im Juni 2020 aus seinen eigenen Reihen einen Forschungsausschuss, der die Geschäftsstelle in förderstrategischen Fragen dauerhaft begleiten und beraten wird.
Innerhalb der Geschäftsstelle wurden noch in 2020 verschiedene organisationale Veränderungen umgesetzt, u.a. die Neugliederung der Abteilung Förderung und die Neufassung der dortigen Teamleitungs-Funktion.
Ab Frühjahr 2021 sollen neben der Organisationsstruktur auch die Organisationskultur der Stiftung in den Blick genommen und mit allen Mitarbeitenden der Geschäftsstelle ein gemeinsames Leitbild des Stiftungshandelns sowie ein Wertekanon entwickelt werden.
Niedersächsisches Vorab
Noch im Herbst 2020 hat die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen (WKN), u. a. mit Beteiligung der VolkswagenStiftung und weiterer Partner, eine Potentialanalyse der niedersächsischen Wissenschaftslandschaft initiiert. Die Analyseergebnisse werden der niedersächsischen Landesregierung und der Stiftung einen strategischen Bezugsrahmen für den Einsatz der Fördergelder des Niedersächsischen Vorabs geben.
Zwei Pilotprojekte für neue Formen der Vorab-Förderung wurden 2020 initiiert und haben zu ersten Erfolgen Anfang 2021 geführt. So haben sich die niedersächsischen Hochschulen zur Gemeinschaftsinitiative "Hochschule.digital Niedersachsen" zusammengeschlossen, um gemeinsam die Chancen der Digitalisierung in der Lehre, der Forschung und der Hochschuladministration zu gestalten und zu nutzen. In einem zweiten Verbund haben sich die Akteure der Quantentechnologie-Forschung zusammengeschlossen, um unter dem Dach des Quantum Valley Lower Saxony (QVLS) e.V. ihre Kräfte für die Entwicklung und den Bau eines Quantencomputers zu bündeln.
Vorbereitung und Verlauf der Gesamtevaluation
Die Gesamtevaluation 2019/20 wurde ab 2016 durch vier vertiefende Teilevaluationen in den Bereichen "Wissenschaftsvermittlung", "Förderhandeln", "Vermögensanlage" und "Finanzen und Verwaltung" vorbereitet. Vier spezifisch zusammengesetzte Panels erarbeiteten dabei detaillierte Bewertungen und Empfehlungen, die als Input für die Gesamtevaluation genutzt wurden.
Ab Sommer 2018 bereitete die Geschäftsstelle die Gesamtevaluation in Abstimmung mit dem Kuratorium vor: die Terms of Reference, der Selbstbericht der Stiftung und diverse Materialien wurden erstellt sowie ein siebenköpfiges Evaluationspanel aus erfahrenen Personen des deutschen sowie des dänischen, österreichischen und schweizerischen Wissenschafts- und Wissenschaftsmanagementsystems rekrutiert. Neben der jeweils fachlichen Expertise in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, im Stiftungs-und Steuerrecht sowie in der Wissenschaftskommunikation verfügten die Panel-Mitglieder auch über Kompetenzen und Erfahrungen hinsichtlich Strategie, Organisation, Führung und Evaluationsverfahren. Zwei Mitglieder waren durch ihr Mitwirken an den vorbereitenden Teilevaluationen bereits mit der Stiftungsarbeit vertraut.
Im Mai 2019 startete die Gesamtevaluation mit der ersten von drei Sitzungen des Evaluationspanels, in denen Gespräche mit Mitarbeitenden, Kuratorinnen und Kuratoren sowie weiteren Gästen geführt, Inhalte, Informations- und Analysebedarfe sowie das methodische Vorgehen diskutiert wurden. Im Verlauf des Prozesses nahmen die Evaluatorinnen und Evaluatoren an verschiedenen Stiftungsveranstaltungen teil, interviewten selbst deutsche Wissenschaftsmanagerinnen und -manager und gaben eine Interviewstudie unter europäischen Wissenschaftsmanagerinnen und -managern in Auftrag.
Der Ergebnisbericht zur Gesamtevaluation wurde im Juni 2020 vom Vorsitzenden des Evaluationspanels in der Kuratoriumssitzung vorgestellt und diskutiert. Die prozessual-übliche Stellungnahme der Geschäftsstelle zum Evaluationsbericht folgte in der Kuratoriumssitzung im Dezember 2020. In ihr wurden die konkreten Maßnahmenpakete, mit denen die Stiftung auf die Empfehlungen der Evaluation reagiert, und ein Zeitplan ihrer Umsetzung dargestellt.
Publikation
Saß, U. (2021): Prozess der Gesamtevaluation […], in: Stiftung & Sponsoring, 03.2021, S. 19-21 (Download pdf)