Der Dichterfürst als Physiker
Dass Goethes begeisterte Beschäftigung mit Gebieten wie Mineralogie, Anatomie und Botanik weit über Liebhaberei hinausging, ist bekannt. Wie ernst man seine Arbeiten zur Optik nehmen muss, will Prof. Dr. Olaf. L. Müller mit seiner kürzlich erschienenen Publikation "Mehr Licht. Goethe mit Newton im Streit um die Farben" belegen. Darin fokussiert der in Berlin Wissenschaftstheorie und Naturphilosophie lehrende Philosoph Goethes Bemühungen, die 100 Jahre zuvor von Newton entwickelte Farbtheorie zu widerlegen, indem er dessen zentrales optisches Experiment umkehrte. "Das Gegenstück entsteht aus dem ursprünglichen Experiment durch Umkehrung der Beleuchtung – durch Vertauschung der Rollen von Licht und Dunkelheit", umreißt Müller Goethes Vorgehensweise. Der Dichterfürst und Newton waren Müllers Ansicht nach in optischen Angelegenheiten einander ebenbürtig. Wären sie Zeitgenossen gewesen, hätte "jeder vom anderen lernen können, und das Ergebnis ihres rationalen Gedankenaustauschs zur Optik wäre nicht auszudenken." Möglicherweise gäbe es eine andere Optik Newtons, und Goethes Farbenlehre wäre ungeschrieben geblieben. Vielleicht sähe sogar unsere heutige Physik ganz anders aus, spinnt der Autor das Gedankenspiel weiter. So bietet die über 500 Seiten starke Publikation – die im Rahmen einer Opus-magnum-Förderung der VolkswagenStiftung entstand – Ansatzpunkte zu interessanten Diskussionen.
Buchpremiere an der Humboldt-Universität
Bei der Buchpremiere am 27. Mai an der Humboldt-Universität zu Berlin (Hauptgebäude, Senatssaal, ab 18:00 Uhr) diskutieren Vertreter aus Physik, Didaktik und Kunstgeschichte mit dem Autor. Den Farbenstreit "illuminieren" sollen das wohl größte jemals erzeugte Goethe-Spektrum und sein newton‘sches Gegenstück. Auch Interessierte ohne physikalische Vorkenntnisse sind bei der Veranstaltung willkommen. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie online unter Buchpremiere Olaf Müller.
Publikation
Olaf L. Müller: Mehr Licht. Goethe mit Newton im Streit um die Farben.S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 528 S.
Hintergrund: Die Förderinitiative "Opus magnum"
Das Förderangebot richtet sich an herausragende Professorinnen und Professoren aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Entlastet durch eine Lehrvertretung sollen sie die Möglichkeit bekommen, ein größeres wissenschaftliches Werk "Opus magnum" zu einem anspruchsvollen Thema zu verfassen. Der nächste Stichtag ist der 1. Februar 2016. Weitere Informationen finden Sie unter "Opus magnum".